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Das Neue Kleid als eine Gegen-Kartografie des Widerstandes

Projektleitung:
Nour Shantout

Projektdauer:
30 Monate

Gefördert von:
ÖAW

ÖAW | DOC
geleitet von Nour Shantout, Institut für Kunst und Kulturwissenschaften
Projektlaufzeit: 1.9.2023 – 28.2.2026

Abstract

„Das Neue Kleid als eine Gegen-Kartografie des Widerstandes” beschäftigt sich mit palästinensischer Stickerei in Shatila, einem palästinensischen Lager im Libanon. Die Arbeit untersucht, welchen Einfluss die Migration von syrisch-palästinensischen und palästinensischen Frauen, die 2011 nach der syrischen Revolution und dem nachfolgenden Krieg in Syrien dort Zuflucht suchten, auf diese Tätigkeit ausübte. Darüber hinaus befasst sich das Projekt mit der „unvollkommenen Kommodifizierung” und NGO-isierung von Stickerei einerseits als Nachkriegspraxis, andererseits als einer Praxis, die in Zeiten der Krise von einer „Arbeit aus Liebe” zu „Arbeit” wurde. Das „Camp-Kleid” oder das „Neue Kleid” ist ein gesticktes palästinensisches Kleid, das entstand, als sich nach der Nakba im Jahr 1948 palästinensische Frauen aus verschiedenen Teilen Palästinas plötzlich in Lagern in den Nachbarländern, nämlich in Jordanien, Syrien und im Libanon, vermischten. Die Forscherin, Sammlerin und Historikerin Widad Kamel Kawar nannte dieses Kleid das „Neue Kleid”, das „aus dem Leben und Widerstand im Camp geboren wurde”.

Das Projekt untersucht, wie die NGO-isierung von palästinensischer Stickerei im Lager Shatila das Entstehen einer neuen Inkarnation des „Neuen Kleides” oder des „Revolutionären Kleides” verhindert, da die Stickerinnen, die für die NGOs arbeiten, nicht selbst darüber entscheiden, was sie sticken. Es umfasst weiters einen Vergleich zwischen verschieden palästinensischen Stickereiökonomien im Lager Shatila, nämlich jenen, die von lokalen NGOs, von internationalen NGOs und kleinen kommerziellen Unternehmen eingeführt wurden. Außerdem wird auf die verschiedenen Methoden und die ihnen zugrunde liegenden Ideologien, Stickerei zu lehren, eingegangen. Beispielsweise wenden lokale palästinensische NGOs sowohl eine theoretische als auch eine praktische Methode an, um das Sticken beizubringen. Andere NGOS wie Basmeh & Zeitooneh hingegen - ein Beispiel für eine NGO, die die Ankunft von syrischen Frauen im Libanon begleitete - konzentrieren sich lediglich auf die Praxis.

Das Projekt stellt die Frage, ob das plötzliche Vermischen von syrischen und palästinensischen Stickerinnen und ihrer jeweiligen Stickereitraditionen im Lager auch in den produzierten Arbeiten sichtbar wird. Reflektieren die hergestellten Stücke die sozio-politischen und ökonomischen Veränderungen im Leben der Stickerinnen nach der syrischen Revolution, der Belagerung des Lagers Yarmouk und der Wirtschaftskrise im Libanon? Welche Rolle spielen NGOs in der De-Politisierung der palästinensischen Stickerei?

Schlagworte: Palästinensische Stickerei, indigenes Wissen, Textilarbeit, feministische Praxis, Gegengeschichte

Kurzbiographie

Nour Shantout ist Künstlerin und Forscherin. Sie wurde in Damaskus geboren und lebt und arbeitet seit 2015 in Wien. 2020 schloss sie ihr Diplomstudium in Bildender Kunst an der Akademie der bildenden Künste Wien (Textuelle Bildhauerei, Prof. Heimo Zobernig) ab, wo sie derzeit auch ihr Doktoratsstudium der Philosophie absolviert. Sie ist Gastdozentin am IZK, dem Institut für Zeitgenössische Kunst, an der Fakultät für Architektur der Technischen Universität Graz und an der Abteilung Transkulturelle Studien an der Angewandten. Ihre Arbeiten wurden sowohl in Wien als auch international ausgestellt: 2022 hatte sie ihre Solo-Ausstellung „Searching for the New Dress” („Auf der Suche nach dem Neuen Kleid”) im Offspace Minuseins (Wien). Diese wurde anschließend auch im Stroboskop Art Space (Warschau) gezeigt. Sie publizierte Beiträge in den Zeitschriften JEEM, Aljumhuriya und andernorts. Ihre Arbeiten kreisen aus einer post-kolonialen feministischen Perspektive um unterdrücktes Erbe, Gegen-Erinnerung, Gegengeschichte, Arbeit und Entfremdung.