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Sammlung gotischer Baurisse in das UNESCO-Programm "Memory of the World-Register" (MOW) aufgenommen

Die Sammlung gotischer Baurisse des Kupferstichkabinetts der Akademie der bildenden Künste Wien wurde neben der Brahms-Sammlung in die Weltliste des UNESCO-Programms "Memory of the World-Register" aufgenommen.

DieSammlung gotischer Baurisse des Kupferstichkabinetts der Akademie derbildenden Künste Wien wurde neben der Brahms-Sammlung in die Weltlistedes UNESCO-Programms "Memory of the World-Register" aufgenommen. Diesbeschloss das zuständige Komitee der UNESCO auf seiner Tagung inLijang/China. Österreich besitzt damit bereits acht Kulturschätze, diezum Weltgedächtnis der Menschheit zählen. Der Festakt anlässlich derAufnahme fand am 21. Februar 2006 im Wiener Musikverein statt.

Die Akademie der bildenden Künste Wien besitzt eine spektakuläreSammlung von 525 gotischen Baurissen aus der Zeit zwischen 1150 bis1550. Diese Pläne stellen die ältesten erhaltenenArchitekturzeichnungen der Welt dar. "Die Wiener Sammlung macht 85Prozent des Weltbestandes an gotischen Baurissen aus", weiß DietrichSchüller, Vorsitzender des zuständigen Fachbeirates derÖsterreichischen UNESCO-Kommission (ÖUK), "unter den ausgezeichnetenDokumenten sind auch die Pläne des Wiener Stephansdoms".
Das Programm "Gedächtnis der Menschheit" der UNESCO will dasdokumentarische Erbe der Menschheit erhalten. Dazu zählen Bücher,Manuskripte und audiovisuelle Dokumente in Bibliotheken und Archiven.
Das Weltregister des MOW wurde 1997 eingerichtet und umfasst derzeit120 Einträge. Neben den beiden neu aufgenommenen österreichischenDokumenten kann Österreich weitere sechs auf der Weltliste vorweisen:darunter die Schlussakte des Wiener Kongresses, die Papyrussammlung undder Atlas Blaeu-Van der Hem. Die UNESCO (Organisation der VereintenNationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation) hat 191Mitgliedstaaten. Ziel der UNESCO ist es, durch Förderung derZusammenarbeit zwischen den Völkern in Bildung, Wissenschaft und KulturFrieden zu wahren und zur Sicherheit beizutragen. Die UNESCOKommissionen der jeweiligen Länder setzen diese Ziele lokal um.

www.unesco.at

Die Sammlung gotischer Baurisse des Kupferstichkabinetts der Akademie der bildenden Künste Wien

Mit428 Zeichnungen besitzt das Kupferstichkabinett der Akademie derbildenden Künste Wien den weltgrößten Bestand an gotischen Baurissen,der insgesamt weniger als 500 Zeichnungen umfasst. Da es für dasEntstehungsgebiet der Gotik, der Ile-de-France, kaum ein entsprechendesZeichnungsmaterial gibt und auch von der vorhergehenden Epochemittelalterlicher Architektur und aus der Antike keine Bauzeichnungenerhalten sind, stellt dieser Bestand die ältesten überkommenenBauzeichnungen dar, anhand deren sich die Anfänge des modernenArchitektenberufes nachvollziehen lassen. Zugleich werden durch dieweite geographische Streuung des Materials, das von Köln, Straßburg undUlm nach Prag, bis hin nach Zagreb reicht, die bereits im ausgehendenMittelalter bestandenen internationalen Verflechtungen dokumentiert.

Von der Bauhütte zur Architekturausbildung

AufGrund dieses Bestandes ist es möglich, Struktur und Arbeitsweise dermittelalterlichen Bauhütten zu rekonstruieren. Den besonderen Wertstellt jedoch die Vielfalt des Planmaterials dar, wobei nicht nur diegroßen Präsentationspläne erhalten sind, sondern auch eine Menge analltäglichen Zeichnungen, die alle Aspekte der Entwurfsarbeit und desakademischen Unterrichts dokumentieren und damit den von Anfang anbestehenden Zusammenhang zwischen architektonischer Praxis und Lehreaufzeigen. Für die Akademie - bis zur Revolution von 1848 die obersteKulturbehörde der Monarchie - stellte die Sammlung ein wichtigesUnterrichtsinstrument der Architekturausbildung dar. Die Kopie desNordturms von St. Stephan des klassizistischer Architekt JosephKornhäusel (1782 - 1860) war bisher unbekannt. Dass hingegen der Rektorder Akademie und gleichzeitig Wiener Dombaumeister Friedrich vonSchmidt zu den besten Kennern und Benutzern der gotischenPlanrisssammlung gehörte, ist nicht überraschend. Vor allem in Budapestund Prag haben seine Schüler Bauten errichtet, die ein genaues Studiumder Pläne verraten. Selbst für Otto Wagner, dem letzten Vertreter desHistorismus und zugleich dessen Überwinder, lässt sich die genaueKenntnis einer aus dem Studium der Baurisse entwickelten geometrischenEntwurfspraxis konstatieren.

Zur Provenienz

Eswar daher ein besonderer Glücksfall, dass das gesamte Planmaterial derDombauhütte von St. Stephan Ende des 18. Jahrhunderts durch denHofsteinmetz Franz Jäger gerettet wurde und durch das Legat seinerSammlung an die Akademie der Nachwelt erhalten blieb. Im Jahre 1787 wareine Sammlung von nicht näher spezifizierten "gotischen Altertümern"der Akademie zum Preis von 4000 Gulden zum Kauf angeboten, die sichjedoch letztlich gegen deren Erwerb entschied, da für sie zu diesemZeitpunkt noch nicht das hinreichende allgemeine Interesse bestandenhatte. Die Sammlung ging stattdessen an den Hofsteinmetzen Franz Jägerder Ältere (1743-1809), der früh die Bedeutung der Sammlung für das demMittelalter zugewandte romantische Architekturgeschehen erkannt undeinzelne der gotischen Planrisse für seine eigene Entwurfstätigkeit,insbesondere der ab 1798 errichteten Franzensburg in Laxenburg, benutzthatte. Von ihm kam die Sammlung an seinen gleichnamigen Sohn FranzJäger den Jüngeren, der sie 1837 testamentarisch der Akademievermachte. Das Übergabeprotokoll des Jägerschen Nachlasses an dieAkademie vom 6. Jänner 1840 verzeichnet "290 Blätter Zeichnungen undSkizzen zur St. Stephanskirche in Wien von Pilgram", was auch die heuteim Wien Museum aufbewahrten Baurisse einzubeziehen scheint.

Die Forschung

Im20. Jahrhundert ist aus dem Unterrichts- ein Forschungsinstrumentgeworden. Wiederaufbau und Wiederherstellung des Wiener Stephansdomeskonnten sich auf die Bauzeichnungen berufen, und die Forschung zu denDomen in Straßburg, Köln, Prag, Regensburg, Ulm und Augsburg, nicht zuvergessen die zahlreichen gotischen Kirchenbauten in Österreich,Süddeutschland, Tschechien und der Slowakei, besitzt in derBaurisssammlung eine wesentliche Quellenbasis, aus der sichentscheidende Erkenntnisse über personelle Zusammenhänge zwischen deneuropäischen Bauzentren des Mittelalters rekonstruieren lassen oderBelege für das architektonische Schaffen einiger namentlich bekannterArchitekten ergeben. Die Ausstellung "Geheimnis im Stein" 2001 inMauerbach hatte diese Ziele verfolgt. Vor allem internationaleAusstellungen haben die Sammlung auch einer größeren Öffentlichkeitbekannt gemacht: Die Parler, 1978 in Köln, Les Bâtisseurs desCathédrales, 1989 in Straßburg und The Crown of Bohemia, 2005 in NewYork und 2006 in Prag.

Kontakt:

Dr. Monika Knofler
Akademie der bildenden Künste Wien
Kupferstichkabinett
Schillerplatz 3
1010 Wien

T +43-1-58816-360
F +43-1-58816-363
M: +43-(0)699-15881606

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