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Gegen die autoritäre Wende – Kritische Bildungsarbeit im Kontext von aktuellen Extremismen und Terror in Wien

Datum
Uhrzeit
Organisationseinheiten
Künstlerisches Lehramt
Ortsbeschreibung
Online/Zoom

Organisiert von den Fachbereichen Kunst und Bildung und Gestaltung im Kontext am Institut für das künstlerische Lehramt in Zusammenarbeit mit der Allianz Kunst und Bildung gegen Rassismus und Faschismus.

Anmeldung über Eventbrite, die Zugangsdaten zur Zoom-Sitzung werden über Eventbrite verschickt.

Anmeldelink: https://www.eventbrite.at/e/gegen-die-autoritare-wende-bildungsarbeit-zu-extremismus-und-terror-in-wi-tickets-131451650425

Das Symposium Gegen die autoritäre Wende – Kritische Bildungsarbeit im Kontext von aktuellen Extremismen und Terror in Wien widmet sich anlässlich der Terroranschläge in der Wiener Innenstadt im November 2020 den Phänomenen von Dschihadismus sowie von lokalen rechtsradikalen Szenen, die Teil internationaler rechtsextremer Bewegungen sind. In den letzten Jahren hat sich in Europa durch den Anstieg extremistischer Ideologien und neuer Nationalismen eine autoritäre Wende vollzogen. Die Bereitschaft zu gewaltbereiter Radikalisierung ist massiv gestiegen. Exemplarisch hierfür sind die Vorkommnisse in Wien-Favoriten im Sommer 2020. Nach einer Demonstration gegen die Frauenmorde am Viktor-Adler-Markt griffen die faschistischen Grauen Wölfe kurdische Kulturvereine sowie ein in Favoriten befindliches Kulturzentrum an. Mehrere Tage lang fanden regelrechte Belagerungen im Stadtteil statt.

Die Referent*innen Zeynep Arslan und Andreas Peham gehen in ihren Vorträgen den Ursachen und komplexen Verflechtungen von Nationalismus, Faschismus und Dschihadismus nach. In Workshops erarbeiten sie gemeinsam mit den Teilnehmer*innen intersektionale Präventionsansätze und Handlungsstrategien für Bildungsarbeit, Vermittlung und kritisches didaktisches Handeln in der Schule.

Vorträge und Referent*innen:

Extremismus, (Gegen-)Nationalismus und Islamismus als pädagogische und politische Herausforderung

Andreas Peham öffnet seinen Vortrag mit der Frage nach den Ähnlichkeiten zwischen dem europäischen Rechtsextremismus/Faschismus und dem Islamismus/Dschihadismus. In der Folge wird die Rolle des (Gegen-)Nationalismus in entsprechenden Fanatisierungsprozessen diskutiert. Gemeinsam mit anderen begünstigenden Variablen (Gewalterfahrungen, spezifische Geschlechtervorstellungen, Autoritarismus, Diskriminierungserfahrungen usw.) und am Beispiel des türkischen (Gegen-)Nationalismus versucht Peham schließlich, die Möglichkeiten der (schulischen) Präventionsarbeit auszuloten. Sein Workshop vermittelt Praxiswissen für angehende Lehrer*innen im Umgang mit Fanatisierungsprozessen von Schüler*innen und zeigt Handlungsstrategien für Pädagog*innen auf.

Andreas Peham ist Mitarbeiter am Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands und betreut dort die Rechtsextremismus-Sammlung. Zudem ist er Gründungsmitglied der Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit (FIPU), die 2016 einen Band zu Extremismusprävention und politische Bildung veröffentlicht hat ( https://www.mandelbaum.at/buch.php?id=683 ). Seine Arbeitsschwerpunkte sind Rechtsextremismus und Neonazismus (unter Jugendlichen), Burschenschaften, Antisemitismus und Rassismus, Holocaust-Education sowie Islamismus und Rechtsextremismus.

Rechtsextremismus innerhalb migrantischer Bevölkerungsteile in Europa - Beispiel rechtsextremistisch motivierter Ausschreitungen Türkei-stämmiger Jugendlicher in Wien Favoriten im Sommer 2020

Studien und Statistiken zeigen, dass insbesondere die migrantischen Gruppen, die sich heute in der vierten und fünften Generation befinden jene sind, die sich ausgeschlossen fühlen und in manchen Situationen ihr Befinden in widerständigen politischen Haltungen und Aktionen zum Ausdruck bringen. Diese Generation ist vorwiegend ab der Millenniumwende in Österreich zur Welt gekommen und besitzt zu einem wichtigen Teil die österreichische Staatsbürger*innenschaft. Besonders jene, die aus äußerst präkarisierten Verhältnissen (Wohnung, Bildung, Arbeit etc.) kommen und trotz ihres sozusagen privilegierten Status, der ihnen spätestens durch den Erhalt der Staatsbürger*innenschaft zuteil werden sollte keinen sozialen Aufstieg erreichen können, scheinen sich neue Inseln für ihre Zugehörigkeitsdefinitionen zu suchen. Beispielhaft sind die türkischen Jugendlichen, die im Wiener Favoriten Ende Juni 2020 das Ernst-Kirchweger-Haus attackierten und zuvor eine andere angemeldete Veranstaltung im selben Bezirk provozierten. In persönlicher Konfrontation erklärten die jungen Männer, dass sie „trotz ihrer Staatsbürgerschaft immer und ewig die Ausländer und die Schwarzköpfe“ bleiben würden. Im nächsten Zug erklärten sie, dass sie den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan verehren und folgen würden.

Diese Ereignisse im Favoriten, deren Nachbeben sich noch heute im Bezirk fortsetzen, haben einige Baustellen wieder zutage gebracht. In den EU Staaten folgten Verbote für die Symbole, Einrichtungen und Organisationen rechtsextrem, islamistisch gesinnter Türkei-stämmiger Gruppierungen.

Der Vortrag beginnt mit der Vermittlung von Daten und Fakten zur Historie des türkischen Rechtsextremismus. Theoretische Skizzierung der Themenbereiche Diaspora, Zugehörigkeit und Identitätsbildungsprozesse werden angeschnitten. Die eingetretenen Ereignisse werden im geopolitischen Kontext diskutiert. Der Vortrag endet mit einer interaktiven Diskussion über transnationale Einflußmanöver internationaler Staaten- und Staatengemeinschaften.

MMag a Dr in Zeynep Arslan, MA ist Gender- und Diversitätsmanagerin, Autorin, Projektkoordinatorin, Eventmanagerin und zertifizierte Gruppentrainerin. Schwerpunktmäßig arbeitet Arslan zu folgenden Themen: Identitäts- und Zugehörigkeitsentwicklungs- und definierungsprozesse, Alevismen und Alevit*innentümer, Demokratisierungsprozesse, Frauenbewegungen und Gender, Gruppendynamiken (z.B. Zaza*innen-Zazaisch/Kırmancki/Dimili, Kurd*innen-Kurdi-Sprachen), Migrationsprozesse, -dynamiken und -entwicklungen, Macht- und Herrschaftsetablierungs- sowie Abhängigkeits- und Dominanzverhältnisse.

Zeynep Arslan hat diverse wissenschaftliche Konferenzen initiiert und organisiert wie z.B. Zazaki – gestern, heute und morgen. Überleben und Standardisation einer bedrohten Sprache (2015); Achtzig Jahre Dersimgenozid (2018); Sister[s in] Action – Bildung von intersektionalen Solidarisierungsachsen und intersubjektiven Lernprozessen “(2020). Neben ihren Monographien wie z.B. Demokratisierung durch Selbstermächtigung (2018, Tectum Verlag, Reihe Religionswissenschaften) hat Arslan diverse Sammelbände herausgegeben, wie z.B. Zazaki-Yesterday, today and tomorrow. Survival and Standardization of a Threatened Language (GLM). Zuletzt fungierte sie als Hauptherausgeberin für den sechsten Band des Kurdischen Jahrbuchs mit dem Titel: Achtzig Jahre Dersim Genozid (Praesens Verlag). Derzeit ist Zeynep Arslan im Gender- und Diversitätsmanagement in der Generaldirektion des Wiener Gesundheitsverbunds tätig und befasst sich daneben im Rahmen der Grazer Plurilingualismus Studien mit zwei weiteren Projekten zur Zaza-Sprache, wo sie gegenwärtig die Assistenz der wissenschaftlichen Leitung ist.