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Die Akademie trauert um Gustav Peichl

Das Begräbnis fand im engsten Familienkreis statt.
Die Trauerfeier findet am 20. Dezember 2019 um 11 Uhr in der Augustinerkirche, Augustinerstraße 3, 1010 Wien statt.

Nachruf, Wien am 21. November 2019

Eine Ära ist nun zu Ende gegangen. Gustav Peichl ist am Sonntag den 17. November 2019 verstorben, fast genau 100 Jahre nach Otto Wagner, dessen Meisterschule Gustav Peichl nach Ernst Anton Plischke, Clemens Holzmeister, Peter Behrens und Leopold Bauer im Jahre 1973 an der Akademie der bildenden Künste am Schillerplatz zu Wien übernommen hatte, die er 26 Jahre bis 1996 inne hatte. Gustav Peichl „gebar“ im Laufe seiner Jahre an der Akademie über 200 Architekten und Architektinnen, denen er auf ihrer weiteren Reise die Ideale der Baukunst mitgab und sie mantrahaft aufforderte Eigenständigkeit in ihrer Architektur zu erlangen und diese auch tatsächlich zu bauen.

Gustav Peichl war einer der größten und bekanntesten Persönlichkeiten in der österreichischen Nachkriegskulturgeschichte. Sein spezielles, wienerisches Charisma war allenfalls mit dem von Bruno Kreisky, Helmut Qualtinger und Friedensreich Hundertwasser zu vergleichen.

Gustav Peichl war zuallererst ein ungeheuer talentierter Künstler und Zeichner; er sagte immer: „ Zuerst war der Strich “; dann war er Architekt, Karikaturist, Universitätsprofessor, Lehrer, Autor, Herausgeber, Graphiker, Stadtplaner, Landschaftsarchitekt, Designer, Konstrukteur, Buch- und Ausstellungsmacher, Journalist, Kritiker, Schauspieler, Mentor, Influencer, Menschenkenner, Wortspielweltmeister, Dompteur und Aktivist. Einmal sagte er mir, aus dem Nichts, zwischen Tür und Angel: „Weißt Du - ich bin ein Zauberer “.

Das außergewöhnliche an Gustav Peichl war, dass er in all seinen ihm eigenen Kunstgattungen eine superindividuelle Ästhetik und nur ihm eigene Narrative entwickelt hatte, die positiv lebensfroh, sinnlich, lustvoll, neu, individuell, schön, verständlich, konkret, instruktiv, kritisch, ironisch und aufgeklärt waren und den Menschen, dem Publikum - weltweit - auch gefielen.

Als Rhetoriker und Rektor (der Akademie der bildenden Künste) war Gustav Peichl einmalig pointiert und unterhaltsam. Im strittigen Gespräch war er mit allen Wassern gewaschen und nahezu jeder, der ihn herausforderte, ging nach einem direkten Konversationsduell als zweiter nach Hause.

So originell, humorvoll und unterhaltsam er sein konnte, so hart, beharrlich und unbeugsam wurde Gustav Peichl, wenn es darum ging die Qualitäten seiner architektonischen Ideen in die Realität umzusetzen.

Gustav Peichl war ein internationaler Stararchitekt. Erst selbst sah sich auf wienerisch als: „Spitzenarchitekt“. In den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war er stets zu Gast am Olymp der bedeutendsten Architekten und Architektinnen weltweit. Zu seinen wichtigen Freunden seiner Generation zählten unter vielen anderen: Wilhelm Holzbauer, Hans Hollein, Wolf D. Prix, Walter Pichler, Eduard Sekler, Karla Syszkowitz-Kowalski, Axel Schultes, Carlo Scarpa, Paolo Piva, Gino Valle, Carlo Aymonino, Stanley Tigerman, John Hejduk, Charles Moore, Rafeal Moneo,

Oswald Matthias Ungers, Josef Paul Kleihues ….

Seine wichtigsten und einflussreichsten Bauwerke waren die ORF-Landesstudios (1969-72), die Erdefunkstelle in Aflenz in der Steiermark (1976-84), die Phosphateliminationsanlage in Berlin (1980-85) und die Bundeskunsthalle in Bonn (1986-92). Diese Werke waren am Puls Ihrer Zeit oder Ihr voraus und wurden hochbeachtet, kritisiert und publiziert. Die Aura dieser Werke, ihre intellektuellen Konzepte, mit ihren Architekturzeichnungen und allem was an Rezeptivem dazu gehört, Filmen, Interviews, Büchern usw sind verbriefte Meilensteine in der globalen Architekturgeschichte.

Als politischer Karikaturist genoss Gustav Peichl, alias Ironimus , über Jahrzehnte die Rolle des absoluten Großmeisters im deutschen Sprachraum. Sein gezeichneter Journalismus mit dem zittrigen Strich war von größter Feinheit und bewusst infantiler Eleganz. Trotz tausender Karikaturen verlor er nie die Contenance, wurde nie brutal oder ordinär, sondern operierte mit Ironie, Weisheit, Spott, Humor, Scharfsinn, Schönheit, Spontanität, Spartanität als Mittel die Welt mit ein paar Strichen zu verbessern, ein Publikum aufzurühren und zu unterhalten.

Gustav Peichl war ein liebender Familienmensch. Seine Frau Elfi, die 2013 verstarb, war sein Lebensmensch. Er hinterlässt drei Kinder und drei Enkelkinder.

Wir werden DEN PEICHL sehr vermissen.
Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

Christoph Lechner
(Meisterschule Gustav Peichl 1985-1992, Mitarbeiter im Atelier Gustav Peichl von 1996–2001, 2001–2011 Gründungspartner und Geschäftsführer Peichl & Partner ZT GmbH )

Gustav Peichl studierte zwischen 1950 und 1953 an der Akademie der bildenden Künste Wien in der Meisterschule für Architektur bei Clemens Holzmeister. Schon während des Studiums war Peichl 1952 bis 1954 Mitarbeiter im Atelier von Roland Rainer und eröffnete schließlich 1955 sein eigenes Architekturbüro; 1991 erfolgte die Gründung des Ateliers Peichl & Partner und 2002 die Neugründung Peichl & Partner ZT mit Rudolf Weber. 2012 ist das Architekturbüro von seinem Schüler Christoph Lechner übernommen worden.

1973 zum ordentlichen Hochschulprofessor berufen, leitete er bis zu seiner Emeritierung 1996 eine der Meisterschulen für Architektur in der Nachfolge von E.A.Plischke. Zwischen 1974 und 1976 war er zudem interimistischer Leiter des Instituts für Schulbau. Seine akdemische Tätigkeit führte ihn auch an die TU Wien, wo er 1985 zum Mitglied der II. Staatsprüfungskommission der Studienrichtung Architektur bis 1990 bestellt wurde. Zwischen 1987 und 1988 war Gustav Peichl Rektor der Akademie der bildenden Künste Wien.

Gemeinsam mit Hans Hollein, Walter Pichler und Oswald Oberhuber gründete Peichl 1964 die Zeitschrift Bau – Schrift für Architektur und Städtebau. Bekannt wurde Gustav Peichl einerseits durch den Bau von sechs ORF Landesstudios, die bis heute Landmarks sind und andererseits durch seine Tätigkeit als Karikaturist unter dem bekannten Pseudonym Ironimus. Zu den prominenten, international realisierten Werken zählen u.a. die Bundeskunsthalle in Bonn und die Kindertagesstätte in Berlin nahe dem Reichstagsgebäude.

Auf Initiative der Absolvent_innen und Freund_innen mit Unterstützung der Akademie der bildenden Künste Wien, der Gesellschaft der Freunde der bildenden Künste und privater Sponsoren wurde 2014 zu seinen Ehren der Gustav-Peichl-Preis für Architekturzeichnung ins Leben gerufen, der alle zwei Jahre an Studierende der Akademie der bildenden Künste Wien verliehen wird.

Kondolenzschreiben

Aufrichtiges Beileid entbietet im Namen der Marktgemeinde Michelhausen Bürgermeister LKR Ök.Rat Rudolf Friewald.
Mit freundlichen Grüßen
Romana Nußbaumer