Skip to main content

Bildtopologie. Spielräume des Imaginären nach Henri Bergson und Marcel Duchamp

Sarah Kolb
Dissertationsstipendiatin an der Akademie | Abschluss-Stipendium des Doktoratszentrums 2014|15

Abstract

Mit ihren gleichsam komplementär entgegengesetzten Werken haben Henri Bergson (1859-1941) und Marcel Duchamp (1887-1968) den traditionellen Bild- resp. Kunstbegriff beide von Grund auf in Frage gestellt und die Philosophie- und Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts damit maßgeblich beeinflusst. Zahlreicher historischer Verbindungslinien und inhaltlicher wie methodischer Berührungspunkte zum Trotz sind ihre Positionen bislang jedoch nur punktuell und an der Oberfläche in Verbindung gebracht worden. Das Dissertationsprojekt hat sich daher zum Ziel gesetzt, zentrale Werke, Konzepte und Strategien Bergsons und Duchamps im Rahmen einer vergleichenden Diskursanalyse gegenüberzustellen, kritisch zu beleuchten und unter Berücksichtigung jeweils angrenzender Diskurse und Praxen (zur Kunst, Literatur, Populärkultur, Chronofotografie, Psychologie, Biologie, etc.) hinsichtlich ihres produktiven Potentials zu befragen.

Durch diese Form der Konfrontation und Kontextualisierung wird eine Art Laborsituation hergestellt, die nicht nur etablierte Lesarten widerspiegelt, sondern auch bislang vernachlässigten Aspekten und Kontingenzspielräumen Rechnung trägt. Aus dieser experimentellen Perspektive sollen Bergson und Duchamp als Wegbereiter jener neuartigen Konzeption des "Schöpferischen" und jenes radikalen Entwicklungsgedankens gewürdigt werden, die seit den 1960er Jahren geradezu paradigmatisch geworden sind, insofern ein essentialistischer Bild- und Werkbegriff im Kontext postmoderner und neo-avantgardistischer Strömungen zunehmend als überholt angesehen wurde. Die Prinzipien der Prozessualität, der Kontingenz und des Transformismus, die seither ins Zentrum der Auseinandersetzung gerückt sind, werden mit dem Konzept der >Bildtopologie< in eine Theorie des Imaginären übersetzt, die den Fluchtpunkt der vergleichenden Analyse bildet und ausgehend von der Bergson und Duchamp neu im Diskurs der Gegenwart zu verorten sind.