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Platz nehmen #1: Schiller Killer – Töte Goethe

Datum
Uhrzeit
Termin Label
Event
Organisationseinheiten
Akademie
Ortsbeschreibung
Schillerplatz 3
1010 Wien

Eine Veranstaltung der Akademie der bildenden Künste Wien in Kooperation mit dem Volkstheater Wien

An den beiden historischen Figuren Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe entzünden sich eine Reihe von Konflikten, die beispielhaft sind für den Umgang der Kulturnation mit ihrem belasteten Erbe. Gemeinsam mit Gästen, Studierenden und Lehrenden des Hauses sowie Schauspieler_innen des Volkstheaters Wien wollen wir zum Auftakt der neuen Veranstaltungsreihe diese beiden Säulenheilige, mit welchen wir als zeitgenössische Kunstuniversität in Form von Denkmälern direkt vor dem Akademie-Gebäude konfrontiert sind, an einer Festtafel im Freien zur Disposition stellen und laden die Öffentlichkeit ein, zu partizipieren. 

Inhaltlich beschreibt die Koinzidenz von Kunstakademie und Schiller – dem Autor der Briefe Über die ästhetische Erziehung des Menschen – und in weiterer Achse Goethe, der als Naturforscher gleichzeitig auch anarchischer Wissenschaftskritiker war, eine Herausforderung und auch eine Zumutung. Zugleich eröffnen die beiden historischen Literaten auch ein Repertoire des Sprechens über die Kunst und ihre gesellschaftliche Funktion, über den Umgang mit Konflikten und Tabus.

An unserem ersten Programmnachmittag aus der Veranstaltungsreihe Platz nehmen, entwickelt von Akademie | Kunst | Öffentlichkeit, rund um eine Festtafel am Schillerplatz werden wir uns gemeinsam mit allen Beteiligten und Gästen, Nachbar_innen und Passant_innen in unterschiedlichen, anregenden Beiträgen diesmal mit Fragestellungen zu unserem Verhältnis zur Tradition, zur Kanonisierung, historischem Erbe und Formen von Verherrlichung, Dekonstruktion und Kritik beschäftigen.

Mit szenischen und diskursiven Acts und Performances von und mit:

  • Emil Borgeest, Studierender Fachbereich Szenografie
  • Alice Creischer und Andreas Siekmann, Professor_innen Kontextuelle Malerei
  • Diedrich Diederichsen, Professor Kunst- und Kulturwissenschaften
  • Frank Genser, Schauspieler Volkstheater Wien
  • Irem Gökçen, Schauspielerin Volkstheater Wien
  • Nora Köhler, Studierende Fachbereich Performative Kunst
  • Johanna Mitulla, Volkstheater Wien
  • Katja Sterflinger, Professorin Naturwissenschaften und Technologie in der Kunst

Moderation: Johan F. Hartle, Rektor Akademie der bildenden Künste Wien

Komposition: Lukas Katzer

Setausstattung: Rosa De Coster, Minna Liebhart, Yann Delon-Jacquin, Studierende des Fachbereichs Objektbildhauerei mit Julian Göthe; Sandra Bayer, Felix Kofler, Mariella Lehner, Susanna Lundberg und Maria Pylypenko, Studierende des Fachbereichs Zeichnen mit Veronika Dirnhofer; Maximilian Gallo, Alexander Groiss, Roxane Milena, Julian Schönborn, Johanna Seckauer, Studierende des Instituts für Kunst und Architektur.

Konzeption:
Johan F. Hartle, Rektor Akademie
Claudia Kaiser, Projektleitung Akademie | Kunst | Öffentlichkeit
Henning Nass, Dramaturg Volkstheater Wien
Kay Voges, Künstlerischer Direktor Volkstheater Wien

Grafik: Beton Studio

Programm

16 Uhr
Unendliche Begegnung
Performance von Nora Köhler, Studierende am Institut für bildende Kunst, Fachbereich Performative Kunst
Die riesigen Schiller- und Goethe-Statuen starren sich an, als wären sie in einer ewigen Konfrontation gefangen. Doch die Liebe zwischen ihnen schwebt wie ein Schleier über dem nie endenden Blickduell. Die Blicke der Statuen treffen sich in einem endlosen Wechselspiel, aus Zuneigung, Sehnsucht und Unverständnis. Zwischen ihnen: Stagnation, das menschliche Streben nach Verbindung und die Unfähigkeit, sich von der Stelle zu bewegen.
Die Performance von Nora Köhler, welche sie bereits 2019 im Rahmen des summer showing des Fachbereichs Performative Kunst am Schillerplatz gezeigt hatte, ist ein Experiment, ein Versuch, die Grenzen von Statuen zu überwinden.

16:15 Uhr
Schillerplatz
Impulsvortrag des Rektors Johan F. Hartle

Die Akademie der bildenden Künste Wien steht nicht zufällig am Schillerplatz. Mit seinen Briefen Über die ästhetische Erziehung des Menschen hat Schiller eine Gründungsschrift der modernen Ästhetik geschrieben und die Wichtigkeit ihrer allumfassenden gesellschaftlichen Vermittlung betont. Historisches Modell seiner Ästhetik ist, wie sich auch in Hansens Bau und Feuerbachs Bildprogramm erkennen lässt, die antike griechische Kultur. In ihrer Rezeptionsgeschichte ist Schiller, der Ehrenbürger der französischen Revolution war, mitunter zu einem deutsch-romantischen Nationalisten gemacht und auf abgründigste Weise heroisiert worden. Dennoch ist Schiller auch für zeitgenössische Denker_innen wie Gayatri Chakravorti Spivak oder Jacques Rancière Stichwortgeber geblieben. Was kann uns Schiller für die ästhetische Erziehung noch bedeuten? Welche Impulse gehen von der Weimarer Tradition auch und gerade für ein Zeitalter aus, in dem die Fiktion der Bürgerlichkeit vollumfänglich implodiert und eine Vielzahl von Krisen und Katastrophen ins Haus stehen? Der Impulsvortrag wird einige Motive aus den Briefen Über die ästhetische Erziehung des Menschen und aus Schillers Text Über naive und sentimentalische Dichtung in einen heutigen Zusammenhang bringen.

16:35 Uhr
Das Pfirsichblüt – Über Goethes Farben und die Beschränktheit der wissenschaftlichen Gilden
Statement von Katja Sterflinger, Professorin am Institut für Naturwissenschaften und Technologie in der Kunst

Zu Goethes Farbenlehre gibt es vermutlich ebenso viele Abhandlungen und Meinungen wie es Farben in den „ordentlichen“ und „unordentlichen“ Spektren gibt. Von der Physik wurde seine Farbenlehre verspottet, von der Anthroposophie vereinnahmt, vom braven Bürgertum oft nicht verstanden aber dennoch gelobt. Fest steht: Goethes Werk zu den Farben ist nachhaltig, wir sprechen bis heute darüber. Weit vor Itten und Küppers beschäftige sich Goethe mit Farbkontrasten und weit vor Sérusier und Klee mit der Wirkung der Farben miteinander und deren psychischer Wirkung. Und: Goethe zweifelte – zu seiner Zeit, also noch bevor Wellen und Teilchen durch die Quantenphysik zu einander fanden, absolut zurecht – an der Farbtheorie Newtons. Goethe ergab sich dafür nicht der Magie, ganz im Gegenteil. Er war ein höchst präziser Beobachter und Experimentator und nicht zuletzt ein rebellischer Wissenschaftskritiker. Wenn Goethe also von sich sagte, dass er „in der schwierigen Wissenschaft der Farbenlehre der einzig sei, der das Rechte wisse“, dann mögen wir ihm das beinahe zugestehen.

16:50 Uhr
GEGEN GOETHE
Szenische Intervention von und mit

  • Emil Borgeest, Studierender Fachbereich Szenografie, Konzeption, Regie und Darsteller
  • Frank Genser, Schauspieler Volkstheater Wien
  • Irem Gökçen, Schauspielerin Volkstheater Wien
  • Johanna Mitulla, Volkstheater Wien, Konzeption und Regie
  • Lukas Katzer, Volkstheater Wien, Komposition

Ausgehend von dem Pamphlet Gegen Goethe des französischen Schriftstellers Jules d’Aurevilly laden Johanna Mitulla, Irem Gökçen und Frank Genser vom Volkstheater Wien und Emil Borgeest von der Akademie der bildenden Künste Wien zu einem Spektakel auf dem Schillerplatz ein. Zwischen den steinernen Statuen von Goethe und Schiller werden die beiden Männer von den Performer_innen zu einem Duell herausgefordert, in dessen Zentrum die Frage steht, wie eine Auseinandersetzung mit einer längst vergangenen Zeit aussehen und was dadurch mit der Gegenwart bzw. der allseits gefürchteten Zukunft passieren kann. „Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst“. Ganz genau. Werden Sie also Zeug_innen eines (vielleicht) noch nie dagewesenen Schauspiels, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Zeit rückwärts laufen zu lassen, Geister heraufzubeschwören und die Schwerkraft zu überwinden. 

17:20 Uhr
Vorstellung der neuen Professor_innen für den Fachbereich Kontextuelle Kunst:
Alice Creischer und Andreas Siekmann
Gespräch mit dem Rektor zu deren Praxis von Kunst im öffentlichen Raum

17:35 Uhr
Der Kanon der Armen
Lecture von Diedrich Diederichsen, Professor am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften

Goethe und Schiller sind keine kanonischen Bildungsgüter für die etablierte Mittel- und Oberschicht mehr; wenn, dann interessieren sich Spezialist_innen für sie, Theaterleute, Wissenschaftler_innen. Der bildungsbürgerliche Kanon reicht eher von Kafka (wenn's hoch kommt) zu T.C. Boyle. Goethe und Schiller sind aber die Namen für Bildung und den eigenen Ausschluss von Bildung für die sogenannte Unterschicht, die vermeintlich tatsächlich Ungebildeten. Ihnen rufen die Denkmäler zu: Ihr habt hier nichts zu suchen. Hin und wieder rächen sie sich durch Spottlieder. Davon und von Rudi Carell und Judge Dread soll hier die Rede sein.

18 Uhr
Ende und Ausklang