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Zur Geschichte des Frauenstudiums an der Akademie der bildenden Künste Wien

1897
Der konservative Journalist A. F. Seligmann gründet die Kunstschule für Frauen und Mädchen und unterrichtet dort als einziger Lehrer 16 Schülerinnen in dem "Curs für Kopf und Akt". 1898 expandiert die Schule: Tina Blau, ehemalige Lehrerin des Münchner Künstlerinnenvereins, leitet ab 1. 1. 1898 einen "Curs für Landschaft und Stilleben", den sie bis 1915 innehatte. Richard Kauffungen wurde für Bildhauerei berufen, Ludwig Michalek leitete den "Curs für Kopf und Akt" sowie einen Radierkurs, Adolf Böhm den Kurs für dekorative und angewandte Kunst, Max Fabiani lehrt Ornamentik und Stillehre sowie "Moderne Wohnungseinrichtung", Georg Klimt unterrichtet Metallarbeiten, Friedrich König Holzschneidekunst und Hans Tichy ab 1900 das Zeichnen und Malen nach dem lebenden Modell. Bei all diesen Lehrern handelt es sich um gemäßigt moderne Künstler aus dem Umfeld der Secession. Die theoretischen Vorlesungen finden im Rahmen des von Emil Zuckerkandl und Julius Tandler 1900 gegründeten "Vereins österreichischer Hochschuldozenten Athenäum" statt, der sich die Aufgabe gestellt hatte, "eine Bildungsanstalt für Angehörige des weiblichen Geschlechts" zu sein. Das erste Schuljahr wurde mit 64 Schülerinnen abgeschlossen, die Schule expandiert stark, sodaß sie binnen weniger Jahre jährlich 200-300 Schülerinnen ausbildet. Der stete Zuwachs resultiert aus der restriktiven Haltung der öffentlichen Kunstschulen (besonders der Akademie) Frauen gegenüber, aber auch aus der wahllosen Aufnahme, die allen privaten Frauenkunstschulen zum größten Vorwurf auch und gerade von Frauen gemacht wurde.

1904
Die Akademie der bildenden Künste Wien hält einem der vielen Anträge auf Öffnung der Akademie für Studentinnen neuerlich die alten Argumente entgegen, daß Frauen nur selten mit schöpferischem Geist auf dem Gebiet der großen Kunst ausgestattet seien und zum anderen ein "Überhandnehmen des Dilettantismus und ein Zurückdrängen des männlichen Elementes" zu befürchten sei. Allein die Vorstellung eines gemeinsamen Unterrichts hätte das Kollegium "perhorresziert". Die Akademie spricht sich daher für die finanzielle Förderung der Kunstschule für Frauen und Mädchen aus und lehnt den Antrag auf Öffnung der Akademie für Frauen einstimmig ab. Als Hauptargument wird immer stärker die Unmöglichkeit des gemeinsamen Aktzeichnens und die Notwendigkeit eines zweiten Aktsaales genannt, der aus Raum- und Geldmangel nicht realisierbar sei. Henni Lehmann (Das Kunststudium der Frauen, Darmstadt 1913) entgegnet dem gleichen Argument in Deutschland: "Das gemeinsame Aktstudium von Männern und Frauen kann nicht als unmöglich bezeichnet werden, da es an vielen Orten durchgeführt ist, ohne daß sich Mißtände ergeben haben." Dem Einwand des Professorenkollegiums der Berliner Hochschule, daß kein Lehrer gezwungen werden könne, Damen überhaupt in so delikaten Unterrichtsfächern zu unterrichten, wird entgegegnet, daß das Problem leicht zu lösen sei, indem man den Aktunterricht bei Damen einer Dame anvertraue. Geeignete Künstlerinnen seien genügend vorhanden. Daß das Aktzeichnen noch lange (bis 1937) problematisch blieb, zeigt der Antrag der renommierten Bildhauerin Teresa F. Ries von 1931, in dem sie der Akademie ihre Dienste zum Zwecke der Leitung einer der Akademie anzugliedernden Abteilung anbot, in der die jungen Mädchen gesondert von den jungen Männern unter der Leitung einer Frau Akt arbeiten könnten. Der Antrag wurde nicht einmal zur Abstimmung gebracht.

1912
Der Rektor der Münchner Akademie hält ebenfalls nichts von der Aufnahme von Studentinnen: "...das ist unmöglich, schon mit Rücksicht auf die Raumverhältnisse, abgesehen davon, daß die Bestrebungen der Künstler, die sich speziell der Kunst widmen, in der Regel andere sind, als die der Damen..."

1913
Zwischen den Gutachten der Akademien von 1904 und denen von 1913 kann kein wesentlicher Gesinnungswandel festgestellt werden.

1919
Im Bericht aus der Kollegiumssitzung der Akademie der bildenden Künste Wien wird dem Staatsamt für Inneres und Unterricht mitgeteilt, daß gegen die erbetene Zulassung keine prinzipiellen Bedenken bestünden, daß aber die Akademie in räumlicher Beziehung derart beschränkt sei, daß nach den Erfahrungen der letzten Aufnahmeprüfungen nicht einmal der überwiegende Teil der ausbildungsfähigen jungen Künstler aufgenommen werden konnte, und daher im Falle der Zulassung von Frauen zum Studium vorerst ein beträchtlicher Ausbau erfolgen müsse. Das Staatsamt entgegnet, daß ein weiterer Aufschub in der Zulassung der Frauen zum akademischen Studium nicht gerechtfertigt werden könnte und daß die Zulassung wenigstens provisorisch in engerem Rahmen zu ermöglichen sei.

1920
Das Staatsamt für Inneres und Unterricht genehmigt offiziell die Zulassung von Frauen zum Studium an der Akademie der bildenden Künste Wien (seit 1919 waren Frauen an allen Fakultäten der Universität Wien mit Ausnahme der katholischen und der evangelischen theologischen Fakultät zugelassen).

Eine Kommission, bestehend aus den Professoren Bacher, Delug, Schmutzer, Jettmar und Müllner behauptet, daß sich die Akademie niemals prinzipiell gegen das Frauenstudium ausgesprochen habe, sondern immer nur Vorbehalte wegen der beengten räumlichen und finanziellen Situation geäußert habe. Als völliges Novum erweist sich, daß keine Bedenken mehr hinsichtlich einer Koedukation erhoben werden. Männer und Frauen sollten bei der Aufnahmeprüfung in Konkurrenz treten. Im Wintersemester 1920/21 werden 14 Frauen aufgenommen, die im Verhältnis zu den 250 männlichen Studierenden natürlich nur eine kleine Minderheit darstellen.

1926/1927
In der neuen Studienordnung ist erstmals von Schülern und Schülerinnen die Rede.

März 1927
Bericht der Akademie über die Erfahrungen hinsichtlich des Frauenstudiums: "... In früheren Jahren glaubte man für die Ausbildung von Frauen und Mädchen durch die Frauenakademie für freie und angewandte Kunst, welche ebenfalls mit akademischen Klassen ausgestattet und staatlicherseits subventioniert ist, hinreichend vorgesorgt zu haben. In einem Zeitraum von fast 7 Studienjahren war es wohl möglich, sich über die Aufnahmsbewerbungen von Frauen ein klares Bild zu machen, sowie über den Studiengang... Selbstverständlich ist die Zahl der weiblichen Bewerberinnen bei der Malerei am stärksten, schwächer in der Bildhauerei, und völlig gering bei der Baukunst. Soviel läßt sich heute schon sagen, daß hinsichtlich der Vorbildung bei den Neuaufnahmen die Frauen in keiner Weise hinter den männlichen Bewerbern zurückstehen. Während der Studienzeit stehen die weiblichen Studierenden in Fleiß und Ernst des Studiums nicht hinter den männlichen Kollegen. Besonders erfreulich kann hervorgehoben werden, daß durch die Koedukation beider Geschlechter in gemeinsamen Räumen der Ton in den einzelnen Schulen nur gewonnen hat. In den Meisterschulen war das Kollegium wiederholt in der Lage, auch Frauen mit akademischen Preisen auszeichnen zu können. Zusammenfassend sei betont, daß unsere Erfahrungen mit dem Studium der Frauen in der Akademie der bildenden Künste durchaus günstige waren."

Die Zahl der Studentinnen stieg von 5% im Wintersemester 1920/1921 bis 1939/1940 auf ca. 25%. Nach dem Anschluß Österreichs an Nazi-Deutschland sank die Zahl der Studierenden. Der Anteil der Studentinnen stieg nach 1940 naturgemäß an, erreichte in den Kriegsjahren bis zu 70% und betrug 1945/1946 65%. Ab 1946/1947 sank die Zahl der Studentinnen wieder stark, sodaß 1952/1953 nur mehr 20% der Studierenden an der Akademie Frauen waren. 1963/1964 waren es allerdings schon wieder 41% (278).

2002
Studentinnen: 570 von 936 Studierenden
Universitätsprofessorinnen: 9 von 29
Ao Univ.Prof.: 2 von 12
Univ.Ass.: 18 von 41
Vertragslehrerinnen: 3 von 7
Lehrbeauftragte: 32 von 46

Almut Krapf

Quellen:
Archiv und Personalabteilung der Akademie der bildenden Künste Wien
Barbara Doser: Das Frauenkunststudium, Diss. Innsbruck 1988
Sabine Plakolm Forsthuber: Künstlerinnen in Österreich 1897 - 1938, Wien 1994
H. Seiger, M. Lunardi, P. J. Populorum (Hg.): Im Reich der Kunst, Wien 1990