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Stay and tell: Erinnerungsobjekte und Narrative der Aneignung. Spurenlese von sozialem Wandel in Texten, Fotos und Schnittmustern in persönlichen Archiven

Projektleitung:
Ana de Almeida, Lena Ditte Nissen, Elif Süsler-Rohringer

Projektdauer:
3 Jahre

Gefördert von:
ÖAW

ÖAW | DOC-team
geleitet von Ana de Almeida (Akademie der bildenden Künste), Lena Ditte Nissen (Kunstuniversität Linz), Elif Süsler-Rohringer (Universität für angewandte Kunst Wien)
Projektlaufzeit: 1.7.2022 – 30.6.2025

Das gemeinsame Forschungsprojekt von Ana de Almeida, Elif Süsler-Rohringer und Lena Ditte Nissen überschneidet sich an den Grenzen zwischen den Disziplinen der künstlerischen Forschung, der Kulturwissenschaften und der Designgeschichte und -theorie. Die drei Forscherinnen befassen sich mit kollektiven Prozessen und Erfahrungen des Erinnerns durch und über familiäre Erinnerungsstücke, sowie mit den Funktionsmechanismen des privaten und persönlichen Archivs. Durch die Erforschung dreier Themenbereiche – die Rolle der Frauen im Nationalsozialismus und Ihr Erbe; der interrevolutionären Raum zwischen der Nelken- und der Samtenen Revolution in Portugal und der ehemaligen Tschechoslowakei von 1974–1989, sowie die alltägliche Aneignung von Mode in Verbindung mit den vielfältigen Verstrickungen, die sich aus der Arbeitsmigration zwischen der Türkei, Deutschland und Österreich ergeben – befasst sich dieses gemeinsame Projekt über die Einzelvorhaben hinaus mit Prozessen, durch die gelebte kollektive Erfahrungen von Trauma, Begehren und der Konstitution des Selbst als Anderem intergenerationell übertragen werden. Außerdem reflektiert es die Rolle, die diese übertragenen Erfahrungen bei der Identitätsbildung von kollektiven Subjekten der „Postmemory” spielen.

Jeder Themenbereich wird durch die Analyse eines spezifischen Mediums der Einschreibung aus einer medienanthropologischen und autoethnographischen Perspektive behandelt. Den ersten Forschungsgegenstand bilden die Briefe, Tagebücher und andere Schriften der Großmutter der Doktorandin Lena Ditte Nissen, Camilla. Camilla war eine überzeugte Nationalsozialistin, Tochter von Nanna Conti, der Reichshebammenführerin des Deutschen Reichs, und Schwester von Leonardo Conti, dem Reichsgesundheitsführer des nationalsozialistischen Deutschlands. Der zweite Forschungsgegenstand sind die Fotos von Ana de Almeidas Vater, José Almeida, der zwischen 1978 und 1987 als portugiesischer Student im Rahmen eines sozialistischen Stipendienprogramms in der ehemaligen Tschechoslowakei studiert hat, umfasst aber ebenso Fotosammlungen, die von anderen portugiesischen Student_innen im selben Land produziert und zusammengestellt wurden. Der dritte Fall untersucht Schnittmuster und ihre Derivate in Form von Kleidungsstücke und Fotografien aus einer "Insider"-Beobachtungsposition. Elif Süsler-Rohringer untersucht die Prozesse individueller Anpassungen dieser Papiermuster in der Türkei, Österreich und Deutschland und konzentriert sich dabei auf Familien von Gastarbeiter_innen mit Schneider- und Schneiderinnen Hintergrund. Im Rahmen der gemeinsamen Forschungsarbeit untersuchen die Forscherinnen diese textlichen, fotografischen und kommerziellen Referenzen in privaten und subjektiven Erzählungen über Flucht, internationale Bewegungen sozialistischer Student*innen und Migration.

Darüber hinaus zielt dieses Projekt darauf ab, durch die Untersuchung der Verbindungen zwischen den drei individuellen Forschungsprojekten die sozialen Karten eines Netzwerks, in dem Forscher_innen durch Archivrecherche und verschiedene empirische und performative Methoden mit dem Untersuchungsprozess interagieren, aufzudecken und zu hinterfragen. In allen drei Projekten werden Recherchen in privaten und institutionellen Archiven mit Gruppenanalysen, Interviews und teilnehmender Beobachtung verbunden. Letztere schaffen eine Grundlage für die Erforschung der Vergangenheit im sich wandelnden Kontext der Gegenwart schaffen. Nissens Methode der Deutungswerkstatt, die in ihre künstlerischen Forschung eingebunden ist, wird als gemeinsame methodische Basis fungieren, die es den Forscherinnen ermöglicht m eine selbstreflexive Haltung zu ihren aus (auto-)ethnographischen Prozesse gewonnenen Ergebnissen einzunehmen. Diese übergreifende Methodik ist eng mit der Wahl der Forschungsgegenstände und dem Ziel verbunden, ihren Platz in makropolitischen und historischen Kontexten einzufordern und gleichzeitig den in Forschungsprozessen inhärenten Reduktionismus in Frage zu stellen.

Zum Projekt von Ana de Almeida.