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Wir gratulieren: Preise für wissenschaftliche Arbeiten 2021/22 an Ekaterina Shapiro-Obermair, Jennifer Ndidi Iroh und Katarzyna Winiecka

Den Preis der Akademie der bildenden Künste Wien für wissenschaftliche Arbeiten 2021/22 erhält Ekaterina Shapiro-Obermair für ihre Dissertation (IKW). Die Würdigungspreise für wissenschaftliche Arbeiten 2021/22 gehen an Jennifer Ndidi Iroh für ihre Masterarbeit (IKW) und Katarzyna Winiecka für ihre Diplomarbeit (IKL).

Ekaterina Shapiro-Obermair
Geschichte performen. Öffentliches Gedenken an den Zweiten Weltkrieg im postsowjetischen Raum am Beispiel der Stadt Lwiw, Ukraine (Dissertation)

Gegenstand der Dissertation sind kommemorative Versammlungen in Erinnerung an Ereignisse um den Zweiten Weltkrieg, die im städtischen Raum der westukrainischen Stadt Lwiw in den Jahren 2016 und 2017 ausgetragen wurden. Es handelt sich dabei sowohl um ritualisierte Gedenkveranstaltungen, die jährlich an historisch oder symbolisch bedeutenden Daten stattfinden, als auch spontane Kundgebungen oder politische Aktionen. In der Arbeit werden diese Ereignisse als eine verdichtete Form der Kommunikation verstanden, bei der sowohl historische Bilder zum Ausdruck gebracht, als auch politische Forderungen gestellt werden. Die Feldforschung fand vorwiegend in Zusammenarbeit mit der Historikerin Alexandra Wachter im Rahmen des interdisziplinären Projekts „Lwiw. Kriegsmuseum“ statt. Vor dem Hintergrund der Zuspitzung des russischen Krieges gegen die Ukraine im Februar 2022 bekommen die gewonnenen Erkenntnisse eine zusätzliche Brisanz.

Begründung der Jury:
Ekaterina Shapiro-Obermairs Dissertation „Geschichte performen. Öffentliches Gedenken an den Zweiten Weltkrieg im postsowjetischen Raum am Beispiel der Stadt Lwiw, Ukraine“ hat die Jury durch ihre äußert differenzierte und gleichzeitig prägnante Bearbeitung eines hochaktuellen Themas überzeugt. Die auf Basis von Interviews methodologisch exzellente Arbeit bietet eine fundierte theoretische Auseinandersetzung mit dieser umfassenden und komplexen Thematik.
Die Bedeutung, aber auch politische Instrumentalisierung von Gedenktagen, Versammlungen und Erinnerungsorten wird insbesondere durch den Vergleich der jeweiligen ukrainischen und russischen bzw. sowjetischen Holocaust-Erinnerung klar herausgearbeitet. Die am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften abgeschlossene Arbeit legt somit eindrücklich dar, inwiefern Erinnerung vom jeweiligen Zeitpunkt des Erinnerns sowie vom soziopolitischen Kontext abhängig ist und gesellschaftlich wirksam wird.

Katarzyna Winiecka
Unmaking the Smuggler Narrative. Grenzverschiebungen durch Aktivismus, Kunst und Forschung in den hegemonialen Schleppereidiskurs am Beispiel der Interventionen von Fluchthilfe & Du

Die Diplomarbeit verdeutlicht, wie territoriale, gesellschaftliche und auch juristische Grenzen Orte ständiger Anfechtungen und Verschiebungen sind. Ausgehend von der Kriminalisierung von Refugeeaktivisten des Refugee Protest Camp Vienna unter dem strafrechtlichen Vorwurf „gewerbsmäßiger Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung“ wird die Wirkmächtigkeit viktimisierender, kriminalisierender und heroisierender Diskurse auf flucht*migrantische Subjektivitäten besprochen. Als methodologisches Werkzeug wird ein Dreieck entworfen, welches die wechselseitigen Beziehungen der drei Figuren Opfer, Täter und Held_in im diskursiven wie auch sprachlichen Spannungsfeld der Dienstleistung Fluchthilfe und Schlepperei umfasst. Anhand von Aktivismus, Kunst und intersektionaler Forschungsansätze werden Möglichkeiten dargelegt, die hegemoniale Viktimisierung von Geflüchteten, die Heroisierung humanitärer, unentgeltlicher Fluchthilfe und die rassifizierte und vergeschlechtlichte Dämonisierung von entgeltlicher Schlepperei aufzubrechen. Fluchthilfe & Du korrespondiert mit dem theoretischen Teil der Arbeit und wird als Möglichkeit besprochen, innerhalb des Kunstfeldes eine gemeinschaftliche und solidarische Praxis der Wissensproduktion und -vermittlung zu erarbeiten.

Begründung der Jury:
Katarzyna Winiecka beschäftigt sich in ihrer Diplomarbeit „Unmaking the Smuggler Narrative. Grenzverschiebungen durch Aktivismus, Kunst und Forschung in den hegemonialen Schleppereidiskurs am Beispiel der Interventionen von Fluchthilfe & Du“ am Institut für das künstlerische Lehramt mit einer hochaktuellen Thematik, die sie aus theoretischen, künstlerischen und Aktivismus-reflektierenden Perspektiven verfolgt. Den fundierten theoretischen Diskurs verbindet sie in klarer und kraftvoller Sprache mit eigenen künstlerisch-aktivistischen Positionen und schafft dadurch eine äußerst lesenswerte Arbeit.