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Fabricating Adjacency

Projektleitung:
Anette Baldauf (IKW)

Projektteam:
Milou Gabriel, Moira Hille, Sasha Huber, Janine Jembere, Susanna Delali Nuwordu, Esther Ojo, Jumoke Sanwo, Mariama Sow

Projektdauer:
2,5 Jahre

Gefördert von:
FWF | PEEK (AR805)

FWF | PEEK-Projekt
geleitet von Anette Baldauf, Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften
Projektlaufzeit: 1.10.2023 – 31.3.2026

"Fabricating Adjacency" ist ein künstlerisches Forschungsprojekt, das sich für die Verstrickung von Textil- und Kolonialgeschichte interessiert: Der Westen Österreichs ist für die Produktion hochwertiger Stickerei- und Damaststoffe bekannt. Nachdem Mitte des 20. Jahrhunderts in weiten Teilen Europas die Textilindustrie mehrheitlich zusammenbrach, fand der Westen Österreichs einen neuen, florierenden Markt in Westafrika, insbesondere Nigeria, wo Stickereien die Ära des Erdöls und der Unabhängigkeit ausstatteten. Am Höhepunkt dieser Geschäfte wurden in den 1970er und 80er Jahren wöchentlich bis zu hundert Tonnen Stickereien von Vorarlberg nach Lagos exportiert; dies geschah trotz eines Einfuhrverbots für Luxusgüter, das der Staat Nigeria 1976 zum Schutz der einheimischen Textilindustrie erlassen hatte. Dieses um Textilien organisierte Aufeinandertreffen der Österreicher_innen und Westafrikaner_innen basiert auf einer bezeichnenden Vorgeschichte: Im 18. und 19. Jahrhundert stellte Leinen aus Vorarlberger Flachs eine dominante Währung in der transatlantischen Handel mit Versklavten dar. Die von versklavten Westafrikaner_innen auf US-Plantagen gepflückte Baumwolle ermöglichte schließlich den Aufbau der europäischen Textilindustrie, inklusive jener Vorarlbergs.

Geleitet von den Erkenntnissen des Neuen Materialismus und der Black Studies versucht das Projekt in die Geschichtsschreibung einzugreifen; es bemüht sich um die Vermittlung von Begegnungen und Naheverhältnissen, und beschwört dabei jene Geister, die in den verborgenen Nähten der Kolonialgeschichte lauern. Das Konzept der Fabrikation spielt hier mit einer doppelten Bedeutung - etwas zu erschaffen, aber auch zu täuschen, d.h. sich etwas anders vorzustellen. Fabrikation, verstanden als Methodik und Ästhetik, ist von den unterschiedlichen Herstellungstechniken der Textilien (Spinnen, Weben, Schlingen, Löchern, Schneiden usw.) inspiriert. In Zusammenarbeit mit Protagonist_innen in Österreich, der Schweiz, Nigeria, Ghana und Senegal will das Projekt einen kollektiven Quilt herstellen, welcher die Vergangenheit bezeugt und Konflikte eher festhält als aufzulösen versucht. Dabei erforscht das Projekt Methoden wie das Zuhören (Einstimmung auf den Stoff), Piercen (Eingreifen in das Archiv), Fürsorge (Trauerarbeit für die Verschwundenen), Reparieren (Aufzeigen von Narben) und Neuverweben ("desire-driven narratives"). Das Projekt ist dabei ein Versuch, mit, und nicht über, Textilien zu forschen.