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Preis der Nordwestkunst 2025 an Lotti Brockmann

Alle zwei Jahre schreibt der Verein der Kunstfreunde für Wilhelmshaven den Preis der NORDWESTKUNST aus, der mit einer Einzelausstellung mit Katalog und Honorar im Folgejahr dotiert ist. Eingeladen, sich um den Preis zu bewerben, sind Künstler_innen, die in Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, dem Gebiet des Landschaftsverbandes Westfalen oder den grenznahen Niederlanden geboren sind, dort studier(t)en, wohnen oder arbeiten. Lotti Brockmann und Hee Seo konnten die Jury in diesem Jahr überzeugen.

Die Jury befand: "Lotti Brockmann ruft mit Planting an Anti-Monument furchtlos zum Umsturz auf. Marmor genügt ihrem Denkmal vollkommen als Begriffsbestandteil eines Kuchenteigs, der überdies subversive Beigaben enthält. Die 1995 in Cuxhaven geborene und in Wien studierende Künstlerin hat Samen solcher Pflanzen in die Teigmasse gemischt, die in Wilhelmshaven nicht heimisch sind und von Ökologen häufig als „invasiv“ bezeichnet werden, weil sie das bestehende Ökosystem nachhaltig verändern können. In Zeiten polarisierender Debatten über Migration unternimmt Brockmann so eine produktive Provokation. Ihr spröde konstruiertes, auf baldigen Zusammenbruch angelegtes Objekt unterwandert die reale Natur erst, wenn Ausstellungsbesucher*innen es mitnehmen und verbreiten würden. Es reicht aber schon der Anblick der Skulptur, Unberührtheitsideologien und Reinheitsfantasien in unseren Gedanken zu unterwandern. Ein paar Minuten von dem einen oder anderen Kolonialdenkmal entfernt hat die Künstlerin ein Gegenrezept gegen unverrückbare Posen und Machtstrukturen ausgebacken. Sie fragt nach der Durchlässigkeit von Geschichtsschreibung und unserer Offenheit für kreative Durchmischung und evolutionäres Chaos – und nicht zuletzt nach der Motivation, die uns statisch sturmfeste Standbilder bauen lässt, während es uns immer größere Mühe abzuverlangen scheint, unsere demokratische Gesellschaft zu stabilisieren.“

Lotti Brockmann ist Studierende der Akademie der bildenden Künste Wien in der Klasse Bildhauerei/Raumstrategien bei Iman Issa. Brockmanns künstlerisches Interesse setzt bei gegenwärtigen gesellschaftlichen Fragen an und bewegt sich zwischen zeichnender, installativer und forschender Praxis. Lotti Brockmann ist in einem Umfeld aufgewachsen, in dem Kunst ein Privileg ist, weshalb Sie auf die künstlerische und kuratorische Praxis von einer Perspektive aus blickt, die fragt, welche kulturellen Werte institutionell vermittelt werden. Der öffentliche Raum spielt in ihrer Arbeit eine wichtige Rolle, hier sieht sie das Potenzial unterschiedliche Menschen zu erreichen und über die Kunst Dialoge zu schaffen. Sie nutzt die Herrschaftsverhältnisse und die damit verbundene räumliche Ordnung des öffentlichen Raums als Ausgangspunkt und Inspirationsquelle für ihre Arbeiten. Ein Material, dass dabei häufig Anwendung findet, ist Zucker, das Lotti Brockmann aufgrund seiner kulturellen Geschichte, seinem Symbolismus als auch aufgrund seiner Materialeigenschaften fasziniert. Die Künstlerin interessiert in ihrer künstlerischen Tätigkeit der Zusammenhang von Themen wie Nationalismus, Sexismus und Kolonialismus, die in den Zucker eingeschrieben sind, genauer zu erforschen und sie wiederum dadurch besser zu verstehen.