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Anna Spanlang

Im Gespräch mit Barbara Pflanzner, Studio im Creative Cluster, 8. Mai 2023

Deine Arbeit ist geprägt von Kollaborationen mit anderen Künstler_innen und Kolleg_innen. Was magst du an dieser Form der Zusammenarbeit und inwiefern verstehst du diese Art der Kollaboration als auch feministische Praxis?

Ich komme ja vom Film und habe sehr viel Zeit in Projekten anderer verbracht, zum Beispiel habe ich vor etwa zehn Jahren mit Katrina Daschner zu arbeiten begonnen. Vor meinem Kunststudium an der Akademie habe ich Theater-, Film- und Medienwissenschaften studiert und angefangen eigene Filmarbeiten zu realisieren. Bevor ich von zu Hause ausgezogen bin, wusste ich nicht, dass man „Video“ oder „Film“ studieren kann, ich komme aus keinem akademischen Haushalt. Es hat sich schnell herausgestellt, dass es mich nicht interessiert, Filme alleine zu machen, Filmarbeit entsteht im Team und in Kollaborationen. Ich habe die Atmosphäre bei Drehs immer als sehr besonders empfunden, und ich mag die Energien, die entstehen, wenn all diese Leute, die wollen, dass dieses Projekt realisiert wird, zusammenkommen. Weil du ansprichst, dass es hauptsächlich Frauen sind, mit denen ich zusammenarbeite – da muss ich wieder Katrina Daschner ins Spiel bringen: Bei ihr sind nie nur die Menschen vor der Kamera wichtig, sondern auch das Team dahinter. Ich habe sehr viel – auch unbewusst – von Katrina gelernt und bin ihr dafür sehr dankbar. Ob das dann die feministische Praxis ausmacht, kann ich nicht beurteilen. Ich mache es einfach und empfinde es selber gar nicht als speziell, aber ich weiß schon, dass es auch feministisch gelesen wird.

Deine Arbeiten nehmen oft Bezug auf gesellschaftspolitische Aspekte. Siehst du dich da auch in einer Art Vermittlerinnenrolle?

Ich finde es interessant, dass du das fragst, weil ich das kürzlich erst mit einer Kollegin und Moderatorin des Crossing Europe Filmfestivals diskutiert habe. Dabei ging es um ein Werbegeschenk der Stadt Linz, auf dem eine Linzer Torte abgebildet war, auf der wiederum eine halbnackte Frau lag. Es hat mich wahnsinnig aufgeregt, dass diese Frau als Dekoration verwendet wird. Aber nicht alle Menschen, mit denen ich darüber geredet habe, hatten ein Problem damit. Die Moderatorin hat dann gemeint, „... du bist halt oft auch eine Vermittlerin, egal in welcher Rolle du jetzt bist.“ Das Vermitteln ist eigentlich aber nichts, was ich mir aussuche, sondern entspringt einem Gerechtigkeitsbedürfnis, dem die Gleichstellung der Geschlechter zugrunde liegt. Durch die verschiedenen Rollen, in denen ich bin, habe ich Zugang zu unterschiedlichen Perspektiven. Ich sehe es auch als Privileg, dass ich mich als in Österreich lebende Künstlerin im Vergleich zu internationalen Kolleginnen, die diese Möglichkeit nicht überall haben sehr frei ausdrücken kann.

Apropos Rolle: Du bist in verschiedenen anderen Funktionen aktiv, unter anderem warst du künstlerische Leiterin von YOUKI – International Youth Media Festival, warst Mitglied in der Programmkommission des Jungen Dokfest Kassel, Programmkoordinatorin der FC Gloria Filmpreise und kürzlich in der Jury bei Crossing Europe. Was ist dir denn bei Arbeiten anderer Künstler_innen wichtig?

Am liebsten schaue ich mir Arbeiten an, ohne dass ich vorher sehr viel darüber weiß. Natürlich spricht mich an, wenn ich spüre, dass eine Arbeit nicht nur gemacht wurde, um sie irgendwo auszustellen oder um Geltung zu bekommen, sondern eine Dringlichkeit dahinter ist, etwas auszudrücken, oder ein Bedürfnis, etwas anzusprechen. Aber das Coole an der Kunst ist ja, dass sie gar nichts muss. Das ist, finde ich, auch immer wieder wichtig zu betonen.

Weil ich im Studio gerade direkt vor dem Bezug des Auto-Tampons sitze, das du im Frühjahr am Vorplatz des Kunsthaus Graz gezeigt hast, ganz generell gefragt: Was kannst du über diese Arbeit erzählen?

Das Auto-Tampon ist eine Skulptur von Judith Kratz (ehemals Rohrmoser) und mir, bei dem uns unsere Kollegin Noushin Redjajan in der Produktion extrem unterstützt hat. Wir haben diese Skulptur im Zuge des Drehs der letzten Episode von Green Scream zusammen entwickelt. Green Scream ist eine Serie, die als Wannabe-Late-Night-Show im ersten Lockdown entstanden ist, mit G-udit als Host der gesamten ersten Staffel. Zu Beginn der Pandemie gab es diesen Zeitpunkt, wo plötzlich WC-Papier und Menstruationsartikel knapp waren, und man sich gedacht hat, sie eventuell selber basteln zu müssen. Diese Idee haben wir aufgegriffen und das Segment You make it, we menstruate it erfunden. Für die finale Episode wollten wir etwas Großes, das wurde dann eben ein Auto. Für das Kunsthaus Graz haben wir das Auto-Tampon am Vorplatz als Skulptur ausgestellt. Es diente auch als Aufhänger zu meiner ersten Einzelausstellung Baby better have my Menstruation. I ain´t no Museum, dessen Titel auf der BIX-Fassade des Kunsthaus Graz stand. Das Tampon im öffentlichen Raum und vor dem Kunsthaus Graz stehen zu haben war insofern interessant, als schon während des Aufbaus Passant_innen ungefragt Kommentare abgaben, Fragen stellten oder den Kopf schüttelte. Die Skulptur wurde vor der Eröffnung sabotiert, was im Nachhinein ebenfalls eine spannende Erfahrung war. Die Arbeit dient als ein Anstoß, mehr (miteinander) zu sprechen: über Themen, die hauptsächlich Frauen_ betreffen. Da sind wir leider überhaupt nicht weitergekommen, und das ist auch eine Motivation und ein Bedürfnis meinerseits: zu verteidigen, was Generationen an Frauen_ vor uns schon erkämpft haben.

Lass uns über deinen Film CEREAL… sprechen. Die Frage nach Authentizität ist sehr wichtig für diesen Film, wobei diese durch den Schnitt auch hinterfragt werden kann.

Genau. Es sind private Aufnahmen, die durch den Schnitt aber ganz klar konstruiert sind. Es passiert etwas, wenn ich zwei Szenen oder Clips aneinanderlege, die so niemals stattgefunden haben. Mich interessiert, wie die Realität noch einmal neu entworfen oder auch manipuliert wird. Ich kann mich noch an diesen Moment erinnern, als ich das erste Mal eine Digitalkamera in der Hand hatte, mit einem Display, das in Echtzeit „die Realität“ abbildet und an das Gefühl, dass ich selber etwas aufzeichnen kann. Die Frage, was es mit der unmittelbaren Umgebung macht, wenn ich dieses Gerät in der Hand halte und ob die Realität auch so verläuft, wenn ich diese Szene jetzt nicht aufnehme, ist etwas, womit ich mich schon länger beschäftige.

Die Arbeit behandelt auch das Verhältnis von Aufnahmen, die nur für den privaten Gebrauch bestimmt sind, und von Material für die Social-Media-Öffentlichkeit.

Die Aufnahmen stammen teilweise aus meiner Zeit in Mexiko. Dieser Aufenthalt war ursprünglich der Ausgangspunkt für meine Diplomarbeit, was ich letztlich aber nicht umgesetzt habe. Als privilegierte, weiße Europäerin läuft man nicht mit dem Handy durch Mexico Citys Straßen und filmt alles, was an einem vorüberzieht. Ich hinterfrage nicht nur den eigenen Status, sondern eben auch, was ich überhaupt aufzeichnen kann und was nicht, die Relationen dazwischen haben Bedeutung. Das ist zentral, finde ich. Jede und jeder hat ein Smartphone, filmt irgendetwas und stellt es oft ohne zu überlegen auf Social Media, das finde ich problematisch.

Für den Film hast du eine unfassbare Menge an mit dem Handy gefilmten Videos gesichtet. Wie trifft man denn da eine Auswahl?

Die Arbeit war ja meine Diplomarbeit, mit der ich mein Studium an der Akademie abgeschlossen habe, und da ist es mir das erste Mal gelungen – auch bedingt durch die Pandemie – mich für ein halbes Jahr frei zu spielen, keine Jobs anzunehmen. Ich habe etwa 4.000 Dateien an Archivaufnahmen gesichtet und geordnet, die innerhalb von elf Jahren – und elf Jahre waren es, die ich mit Unterbrechungen an der Akademie inskribiert war – entstanden sind. Üblicherweise gibt das Material an sich schon viel vor und ich hatte sehr viel Vertrauen in es, weil ich ja bei all diesen Momenten selbst dabei war. Es ist auch eine Hommage an die Menschen, die ich in diesen elf Jahren kennen gelernt und mit denen ich Zeit verbracht habe. Sie tragen natürlich diesen Film, ohne deren Vertrauen, deren Zustimmung und überhaupt Anwesenheit würde es die Arbeit ja nicht geben. Es war mir auch sehr wichtig, dass alle ihr Einverständnis dafür gegeben haben, dass sie im Film vorkommen. Dass ich alle kontaktiert habe, war auch noch einmal so eine Besonderheit während der Pandemie, weil wir wieder ins Reden gekommen sind. Das war für den ganzen Prozess der Arbeit sehr schön, weil es dann nicht mehr nur um diese Arbeit ging, sondern auch um die Beziehungen mit den darin vorkommenden Leuten. Das erklärt vielleicht auch ein bisschen dieses Kollaborative, von dem wir gesprochen haben.

Im Antrag ans Studio-Programm hast du geschrieben, dass du aktuell an einem neuen Filmprojekt arbeitest mit dem Arbeitstitel Wet. Ist das noch aktuell, worum geht es darin und in welchem Stadium befindet sich das Projekt?

Ja, die Arbeit gibt es. Wir pausieren nur gerade. Es ist ein Projekt mit Judith Kratz und Miriam Schweiger (Klitclique). Es soll ein abendfüllender Film werden, in dem es um ein Mädchen geht, die unsere Ur-Enkelin sein könnte und deren Alltag wir in unterschiedlichen Szenen, Dialogen und Begegnungen darstellen wollen – aber anders, als wir das von bisherigen Hollywood-Sci-Fi-Filmen kennen.

Und was sind die Pläne für die nächste Zeit?

Ich unterrichte noch bis zum Sommer an zwei Schulen (AHS und NMS) wo Schüler_innen in Teams eigene Videoclips zu kurzen Filmen schneiden und Bildproduktion per se hinterfragt wird. Im Wintersemester 23/24 werde ich dann zusammen mit Katharina Müller, der leitenden Forscherin im Österreichischen Filmmuseum, eine Lehrveranstaltung am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaften der Universität Wien mit dem Titel I ain't no museum: Chewing the phone archive halten. Darauf bin ich schon sehr gespannt, weil es da auch um meine eigene künstlerische Praxis im Kontext der Filmwissenschaft gehen wird. Dieses Unterrichten und In-Dialog-Treten interessiert mich. In den nächsten Wochen und Monaten möchte ich Freunde und Freundinnen besuchen (die zum Teil nicht mehr in Wien wohnen) und viel mit ihnen abhängen – sehr wichtig! Und letzte Woche kam eine Anfrage über eine Ausstellungsbeteiligung der Deichtorhallen Hamburg sowie eine Residency-Einladung einer Wiener Galerie – ich freue mich auf alles!

annaspanlang.net