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Laura Sperl

Im Gespräch mit Barbara Pflanzner, Studio im Creative Cluster, 19. April 2023

Deine künstlerische Arbeit hat unter anderem Prozesse zum Thema. Was interessiert dich denn an genau diesem Aspekt der Fotografie in Bezug auf deine künstlerische Arbeit?

Was mich daran interessiert, ist, dass etwas nie abgeschlossen ist und sich immer weiterentwickelt, auch das Üben des Akzeptierens dieser Veränderung und das Verlangen, an Dingen festzuhalten sowie gleichzeitig die Unmöglichkeit dieses Festhaltens. Ich finde, dass sich das in der Fotografie schön einschreibt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Was ich zudem interessant finde, ist, etwas Unsichtbares sichtbar zu machen, zu beobachten, wie es sich verändert und teilweise das Sichtbare auch wieder unsichtbar werden zu lassen. Und dafür eignen sich photochemische Prozesse so perfekt, weil sie sich mit dem Licht so schnell verändern, dass man dem Prozess direkt zuschauen kann.

Du arbeitest oft klassisch analog und mit alten photochemischen Verfahren wie Cyanotypie oder Chemigramm.

Ja, das Analoge ist auf jeden Fall ein großer Teil, aktuell entstehen meist hybride Arbeiten. Die Arbeiten für mein Künstlerinnenbuch NOON sind etwa eine Mischung aus Fotogrammen und Chemigrammen. Bei ihnen habe ich Dinge platziert, die das Licht blockieren, beispielsweise habe ich mit Meereswasser gearbeitet und Sand auf Fotopapier der Sonne ausgesetzt. Das Salz reagiert mit der Chemie im Fotopapier und verändert sich weiter. Zudem haben sich meine Fingerabdrücke eingeschrieben, es gibt also Spuren von allen Seiten. Die Veränderung der entstandenen analogen Foto-/Chemigramme wird dann über einen gewissen Zeitraum mit Hilfe von digitaler Fotografie dokumentiert. Ich habe zu Beginn nicht gewusst, was dabei herauskommen wird und war von dem Ergebnis extrem überrascht und beeindruckt. Das ist ein wichtiger Aspekt in meiner Arbeit: dass ich mich von Ideen leiten lasse, die dann wieder zu anderen Sachen führen.

Ruth Horak hat in ihrem Text für die Publikation zum Mentoring-Programm 2022 vom „Experimentellen des Analogen“ geschrieben. Für mich zeigt sich das unter anderem an der Verwendung unterschiedlicher Bildträger. Wie beschreibst du selbst das Experimentelle in deinen Arbeiten?

Ich probiere gerne verschiedene Materialien aus. Bei der Serie Wattebelichtungen habe ich beispielsweise sehr viel ausgetestet. Da wollte ich durch das Material die Fragilität der Haut unterstreichen und austesten, wo eine Fotografie noch eine Fotografie ist und wo sich das Bild auflöst, sodass man es gerade noch erkennen kann. Die Oberflächenstruktur prägt ja immer auch den Charakter eines Werks, da lege ich viel Wert darauf. Es reizt mich, mir vorzustellen, was dahinter ist. Der zweite Teil der Arbeit Sonne auf Sand, auf Textil, auf Sonne, auf Sand, auf Papier, auf Wasser, auf Sand ist kürzlich auf einer Reise entstanden und wird im Frühsommer im Bildraum 01 in einer Installation gezeigt werden. Da wird ein Druck am Boden installiert und eine Cyanotypie auf Stoff hängt wie ein Segel über ihm. Es werden zwei recht geheimnisvolle Welten oder Räume eröffnet, die man vielleicht weiterdenken will.

Das Experimentelle zeigt sich auch insofern, dass du zumeist medienreflexiv auf die technischen Gegebenheiten des Mediums zurückgreifst und diese einem Update unterziehst, Arbeiten wie Schattenbelichtungen oder Brückenperformancebelichtung haben diesen technischen Aspekt bereits im Titel.

Es geht um ein Austesten meiner Grenzen in den Möglichkeiten, die mir grade zur Verfügung stehen, und um die Fragen: Wie weit kann ich gehen? Wie kann ich die Grenze erweitern? Wo ist diese Grenze überhaupt? Bei der Belichtungsperformance im Photo Cluster im Sommer 2022 habe ich beispielsweise in einem zur Dunkelkammer umfunktionierten Raum meinen Körper auf ein lichtempfindliches Objekt belichtet und dieses in riesigen Entwicklungsbädern entwickelt. Oder die Serie Solarbelichtungen: Für diese habe ich an verschiedenen Orten, etwa in Valencia, Zypern, Lissabon oder Isla Saona, mit Hilfe einer Solarzelle das Sonnenlicht eingefangen, es mit nach Wien genommen und in der Dunkelkammer direkt aufs Papier belichtet. Das heißt, das Papier wickle ich um die Solarzelle, die eine kleine Lampe betreibt, belichte kurz, schalte wieder aus und entwickle es. Somit ist nur das Licht abgebildet, wie es sich auf dem Papier verteilt; und durch die Faltung und durch die Stärke der Zerknitterung sieht jede Arbeit anders aus. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Hineinspielen von natürlichen Einflüssen, die ich nicht wirklich kontrollieren kann. Deswegen arbeite ich viel draußen in und mit der Natur, mit Wasser und Wind. Bei der Brückenperformancebelichtung beispielsweise war der Wind extrem stark, das habe ich überhaupt nicht vorhergesehen, was das Ganze sehr geprägt hat.

Der Tanz ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt, den du in deiner Arbeit auf verschiedene Weise integrierst.

Hier fasziniert mich besonders, dass es immer um eine unmittelbare Reaktion geht, eine Bewegung folgt der nächsten, baut auf sie auf. Man muss im Moment sein, man kann nicht zu viel denken, sonst funktioniert es nicht, man muss loslassen und wirklich im Körper sein. Tanz ist für mich der Inbegriff von Veränderung und es reizt und erfüllt mich, selbst fühlbar mitten im Prozess zu sein und auf Musik körperlich reagieren zu können. Es ist einfach eine andere Form der Kommunikation. Ich habe beispielsweise gemeinsam mit der Tänzerin Alina Bertha ein wunderschönes Projekt ausgearbeitet, dessen Umsetzung noch in Planung ist. Und auf meiner letzten Reise habe ich eine Unterwasser-Performance gemacht, bei der ich mich mit dem Stoff bewege und die Herausforderung annehme, eine gemeinsame Bewegung zu finden. Das Wasser, das Tuch und ich – das sehe ich auch als eine Art Tanz.

Du arbeitest seit einiger Zeit auch kollaborativ, etwa mit Elena Kristofor. Mit ihr hast du 2021 im Sehsaal die Ausstellung Es ist schon vorgekommen, dass Flugzeuge auf dem Rücken flogen, als sie wieder aus den Wolken hervorkamen konzipiert, bei der ihr jeweils eure bestehenden Arbeiten in einen neuen Kontext gesetzt habt. Oder die 2022 Ausstellung People Cannot See Well in Fog im T/abor, die Arbeiten zeigt, die in Gemeinschafsarbeit entstanden sind.

Genau, so hat unsere Kollaboration angefangen. Für People Cannot See Well in Fog haben wir begonnen, gemeinsame Arbeiten im Sinn einer Ko-Kreation zu produzieren. Wir arbeiten schon seit Längerem an einer Nebel-Serie, bei der es uns um die Orientierung in einem undefinierten Raum geht, der unser körperliches Empfinden total aushebelt. Im Nebel haben wir keine Bezugspunkte mehr zu Distanzen oder zu Geräuschen. Die Kulisse in einer der Serien bildet der Wald. Dieser Teil der Konzeption kommt von Elenas Auseinandersetzung mit ihm. Ihre Kindheit in der Steppe hat ihre Wahrnehmung und ihr Empfinden sehr geprägt und so verkörpert der Wald für sie einen Raum, der verwirrend, sogar beengend ist und ihren Orientierungssinn fordert. Diese Verschränkung hat uns fasziniert.

Im Rahmen des Studio Programms hattest du aufgebaut auf die Arbeit Dwell.in.g eine Videoprojektion geplant, die deine Bewegungen und die Zeichnungen zusammenführen. Wie steht es denn um dieses Projekt?

Dwell.in.g muss zwar gerade noch warten, da so viele andere Arbeiten zuvor zu Ende gebracht werden wollen. Während meiner Zeit hier im Creative Cluster habe ich großformatigen Cyanotypien beziehungsweise das Beschichten mit Chemie von verschiedenen Formaten, von klein bis groß, umgesetzt. Da ich nie in diesem Ausmaß hätte arbeiten können, habe ich mich sehr über den Studioplatz gefreut. Auch die von mir gewünschten Einladungen zu Studio Visits sind gleich voll ins Rollen gekommen. Es freut mich wirklich, dass der Austausch dadurch nochmal befeuert wird und mich schon verschiedenste Leute hier besucht haben.

Welche Projekte stehen in der nächsten Zeit an, gibt es bereits Pläne?

Die nächste Ausstellung findet Anfang Juni im Bildraum 01 mit der Fotogalerie Wien statt, die aufgrund der Renovierung ihrer Räume im WUK aktuell noch auf Wanderschaft ist. Die Fotogalerie hat im Zuge dessen auch noch eine Art „Tour“ mit mir geplant, das freut mich ganz besonders. Zuerst geht es auf die PARALLEL VIENNA und dann im November nach Oberösterreich ins Prevenhuberhaus. Im Sommer stelle ich mit Anja Nowak und Elena Kristofor in meinem Heimatort Schärding aus und für Oktober planen Michaela Putz und ich noch eine Ausstellung in Lissabon. Mit ihr verbindet mich, dass ich durch sie auf die Artist-Book-Residency von xyz Books aufmerksam geworden bin und wir beide dort auf Residency waren. In Lissabon habe ich letzten Herbst begonnen mit Chemigrammen zu arbeiten und dort ist auch mein Artist Book NOON entstanden. Es hat eine japanische Bindung mit doppelt gefalteten Seiten und der Umschlag ist aus thermosensitivem Material, es gibt eine erlebbare Veränderung, wenn man das Buch angreift. Ich würde gerne eine kleine Auflage produzieren. Das Buch wird auch Teil der Ausstellung im Juni im Bildraum 01 sein.

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