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Zu den zwei Fotos aus der „Müllner-Schule“

Ein noch weitgehend unbearbeitetes Konvolut von Glasnegativen und Fotoabzügen im Universitätsarchiv aus den 1910er bis 1930er Jahren enthält die ersten Aufnahmen, die Frauen als Studierende an der Akademie zeigen.

Studentinnen und Studenten sitzen im Hof des Bildhauergebäudes in der Wiener Kurzbauergasse nahe des Praters, das noch heute von der Akademie der bildenden Künste Wien als Lehr- und Arbeitsstätte genutzt wird. In der Mitte vorne ist der Professor für Bildhauerei Josef Müllner zu erkennen, die anderen Personen konnten bisher noch nicht identifiziert werden. Auch sind weder der Fotograf noch das Datum der Aufnahme bekannt. Das Original ist ein Glasnegativ, das erst kürzlich in der Fotosammlung des Universitätsarchivs neu entdeckt wurde. Elf Studentinnen, alle im Vordergrund sitzend oder stehend, sind –abgesehen vom Professor – dreißig Männern gegenübergestellt. Das Zahlenverhältnis entspricht mit etwa 1:3 oder 1:4 durchgehend der Zusammensetzung der Müllner-Schule.(1)

Studierende bei der Bearbeitung von Tonbüsten

Ein zweites Foto(2), ein Schwarzweißabzug, zeigt einen Blick von oben auf Studierende – vier Frauen und ein Mann – vor ihren Skulpturen im Atelier. Professor Müllner und ein Assistent begutachten die Arbeiten. Die Verhältnisse sind beengt, möglicherweise handelt es sich um eine gestellte Aufnahme. Auch dieses Foto ist undatiert.

In den Beständen des Archivs befindet sich auch ein noch weitgehend unbearbeitetes Konvolut von Glasnegativen und Fotoabzügen, zum Teil in Fotoalben eingeklebt oder in Mappen gesammelt. Es zeigt die Werke Müllners (etwa die Hälfte der Aufnahmen) und Arbeiten seiner Studierenden. Auf einigen der Fotos ist Müllner selbst zu sehen, in Geniepose vor seinen Skulpturen oder bei der Arbeit.

Das Konvolut gehört zu den frühesten Fotografien im Universitätsarchiv der Akademie der bildenden Künste Wien, und es sind die ersten Aufnahmen, die Frauen als Studierende an der Akademie zeigen.

Josef Müllner ist eine durchaus problematische Figur. Von 1910 bis 1948 (!) lehrte er an der Akademie der bildenden Künste Wien, als einer von zwei Leitern der Allgemeinen Bildhauerschule (einem Grundstudium, das bis 1939 Bestand hatte), und als Leiter einer Meisterschule für Bildhauerei. 1926 bis 1928 fungierte er als Rektor der Akademie. Von der Donaumonarchie bis zur Ersten Republik und der Zeit des Austrofaschismus, vom nationalsozialistischen Regime bis in die ersten Jahre der Zweiten Republik erstreckte sich seine Tätigkeit.

Auch seine NSDAP-Mitgliedschaft(3) hat ihm in den Nachkriegsjahren nicht geschadet – im Gegenteil: er erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen.

Aus den Akten des Archivs ist von seiner Gesinnung während der Zeit des Nationalsozialismus wenig zu erfahren.(4) Es sind kleine Puzzleteile der (noch) vorhandenen Dokumente, die nach und nach ein Bild ergeben: April 1939 etwa, wo er bei einer Kollegiumssitzung eine mangelnde Beflaggung moniert.(5) Oder in Anwürfen auf seinen Kollegen Prof. Albert Bechtold, dessen Frau die „Nazilausbuben der Müllnerschule“ beschimpft haben soll(6).

Wesentlich klarer wird das Bild, wenn wir uns seine Werke ansehen: 1913 bis 1916 entsteht als eines seiner Hauptwerke das Denkmal für den Wiener Bürgermeister Karl Lueger (1926 aufgestellt)(7). Der berüchtigte Siegfriedskopf (1923, aufgestellt 1925), der im Auftrag der deutsch-nationalen und antisemitischen Studentenschaft an der Universität Wien entstanden ist, ist ein Werk Müllners, ebenso wie ein Reiterstandbild für die Olympiade in Berlin 1936 und die Hitlerbüste von 1940, die in der Aula der Akademie aufgestellt war.

Heutige Betrachter_innen verstören nicht nur der Inhalt von Müllners Werken, sondern auch ihre monströse und verherrlichende Monumentalität, die immer noch ihre unselige Wirkung auf manche Personengruppen ausübt und wieder und wieder im ideologischen und politischen Diskurs Niederschlag findet.

Das Fotokonvolut im Universitätsarchiv harrt noch einer Aufarbeitung.

Eva Schober, Leiterin des Universitätsarchivs der Akademie der bildenden Künste Wien

(1) UAAbKW, GN-20.

(2) UAAbKW, A-525.

(3) S.auch http://ns-zeit.akbild.ac.at; Gauakten im ÖStA.

(4) Zum Thema siehe auch Seiger, Hans; Plakolm-Forsthuber, Sabine: Im Reich der Kunst. Die Wiener Akademie der Bildenden Künste und die faschistische Kunstpolitik , Wien 1990; Verena Pawlowsky, D ie Akademie der bildenden Künste Wien im Nationalsozialismus , Wien, Köln, Weimar 2015 und auf http://ns-zeit.akbild.ac.at

(5) Professorenkollegiumssitzung 1939-03b, 1939.04.27.

(6) UAAbKW, VA Zl. 267 ex 1938; siehe auch Beatrix Bastl, "Die Herrschaft des Abschaums". Universitätsbibliothek und Universitätsarchiv der Akademie der bildenden Künste Wien in der Zeit zwischen 1933 und 1948, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Buchforschung in Österreich Heft 2/2012, S. 7-28.

(7) Informationen zu den aktuellen Entwicklungen zum Denkmal finden Sie hier: https://www.akbild.ac.at/Portal/universitaet/uber-uns/news/aktion-und-aufruf-zur-veraenderung-des-lueger-denkmals