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Verdinglichung und das Bewusstsein der Künstler_innen: Georg Lukács und die zeitgenössische Kunst

Datum
Uhrzeit
Termin Label
Vortrag
Organisationseinheiten
Kunst- und Kulturwissenschaften
Ort, Adresse (1)
Schillerplatz 3
Ort, PLZ und/oder Ort (1)
1010 Wien
Ort, Raum (1)
M13a

Vortrag von Tyrus Miller, University of California, Irvine im Rahmen der Reihe Kunstsoziologie heute, organisiert von Jens Kastner.

Als Literaturtheoretiker und -kritiker wurde der ungarische Marxist Georg Lukács vor allem durch sein Eintreten für einen „kritischen Realismus“ bekannt, der auf dem Kanon des 19. Jahrhunderts basiert und den er als „dritten Weg“ jenseits der Kluft zwischen der westlichen Moderne und dem östlichen sozialistischen Realismus bezeichnete. Mit dem Ende des Kalten Krieges, dem Aufkommen neuer Formen der Kunstpraxis und neuen Anliegen in der Kunst scheint Lukács auf den ersten Blick wenig Relevantes für zeitgenössische Künstler:innen und Kunsttheoretiker:innen zu sagen zu haben. Dennoch findet Lukács heute zunehmend neue Resonanz, wie zum Beispiel in der Ausstellung Intervention in das Georg-Lukács-Archiv 2010 in Budapest und im Kernprogramm des Steirische Herbst 2019 namens Grand Hotel Agrund, das seinen Titel einem Essay von Lukács aus den 1930er Jahren verdankt, sowie in der Installation The Life and Adventures of GL der Kuratoren Ekaterina Degot, David Riff und Livia Páldi.

Ich werde ein Element dieses zeitgenössischen Interesses betrachten, das sich auf die Fragen konzentriert, die Lukács in seinem Klassiker Geschichte und Klassenbewusstsein vor einhundert Jahren über die „Verdinglichung“ als sozialer Prozess im Kapitalismus und seine Auswirkungen auf Bewusstsein, Erfahrung und Wissen aufgeworfen hat. Ich werde eine Reihe neuerer theoretischer Arbeiten besprechen, die Lukács' Ideen aufgreifen und auf die zeitgenössische Kultur anwenden, darunter Anita Charis Diskussion über die Kritik der zeitgenössischen Kunst am Neoliberalismus sowie Kevin Floyds und José Estaban Muñoz' Erforschung der Verdinglichung in der Queer-Kultur, Timothy Bewes' Assoziation von Verdinglichung und „spätkapitalistischer“ Kultur und Paolo Virnos provokantes „Lob der Verdinglichung“, in dem er die Verbindung von Verdinglichung und Fetischismus auflöst und in der Verdinglichung – einschließlich der Dinglichkeit von Kunstwerken – positive Fähigkeiten zur Hervorhebung neuer Beziehungsformen sieht. Anschließend werde ich die zeitgenössische Präsenz von Lukács in Werken der Künstler:innen László Lakner und Zsuzsanna Varga-Szegedi, des Dokumentarfilmers Sotirios Bekas und der in den beiden oben genannten Ausstellungen vertretenen Künstler_innen diskutieren.