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Lehrerbildung im Dauer-Downgrading

Eva Blimlinger
DER STANDARD, Kommentar der anderen, 26.7.2012

Meinungen, die nicht auf Regierungslinie sind, gelten als unerwünscht: Die autoritäre Abstrafung von Elmar Märk durch Unterrichtsministerin Claudia Schmied liefert einen Grund mehr dafür, warum die Lehrerausbildung an die Universitäten gehört

Es gibt viele gute Gründe, warum die Lehrerinnen- und Lehrerausbildung an den Universitäten verbleiben, ja sogar ausgebaut werden soll. Alle Lehrerinnen und Lehrer, unabhängig in welcher Schulstufe sie nach Abschluss ihres Studiums unterrichten werden, sollten in ihrer (Aus-)Bildung von forschungs- und kunstgeleiteter Lehre, von Lehrenden mit den unterschiedlichsten fachlichen und persönlichen (z. T. internationalen) Hintergründen und Erfahrungen, von den unterschiedlichen Curricula an den Universitäten und von der Freiheit der Lehre, der Forschung und der Erschließung und Entwicklung der Künste profitieren - all das, was es an den pädagogischen Hochschulen nicht gibt.

Den besten Grund, die Lehrerausbildung an den Universitäten zu belassen, hat aber nun die Unterrichtsministerin selbst geliefert, dagegen treten alle anderen Gründe deutlich in den Hintergrund. Lapidar heißt es da in der Aussendung, dass das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur mitteilt, dass "aufgrund der öffentlich getätigten Aussagen zur Zukunft der Pädagogischen Hochschulen das Vertrauensverhältnis zwischen Dr. Elmar Märk und dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur nicht mehr gegeben ist". Basta, zurück an die HTL mit dem designierten Rektor der Pädagogischen Hochschule Tirol, Elmar Märk, und ihn vielleicht dort auch gleich abberufen - denn darf es einen Schuldirektor geben, der eine Meinung vertritt, die "außerdem diametral dem entgegensteht, was Regierungslinie" ist?

Märk hat sich erdreistet, richtigerweise darauf hinzuweisen, dass "die Lehrerausbildung in Tirol" - und nicht nur dort, sondern in ganz Österreich, wie ich meine - "langfristig bei der Universität angesiedelt" sein soll. Ein Sprecher des Unterrichtsministeriums meinte dazu, dass solche Aussagen eines designierten Leiters "in jedem Unternehmen der Welt Konsequenzen nach sich gezogen" hätten. Die Pädagogischen Hochschulen als Profitcenter, bei denen Dividenden ausgeschüttet werden? Fast lustig.

So soll sie also ausschauen die zukünftige, an der Wirklichkeit orientierte, wenn man so will, praxisorientierte und lebensnahe Lehrerinnenund Lehrerausbildung. Jedenfalls darf nicht gelehrt werden, wie eigene Meinungen entwickelt werden, wie kritische Positionen entworfen werden, wie öffentliche Diskussionen zu führen sind. Sollte aus irgendwelchen Gründen es dann doch passieren, dass die angehende Pädagogin, der angehende Pädagoge einen Standpunkt vertritt, der nicht jenem der eigenen Lehrenden entspricht, ja diametral dem entgegensteht, was Pädagogische Hochschullinie ist, dann wird das Vertrauensverhältnis wohl nicht mehr gegeben sein.

Ja, vielleicht hat sie oder er im dritten Semester diesen Standpunkt noch nicht vertreten, erst jetzt die Meinung geändert? Dumm gelaufen, was dann? Den Studierenden von der Pädagogischen Hochschule relegieren? Jedenfalls gilt es frühzeitig zu verhindern, dass Lehrer möglicherweise den Schülerinnen und Schülern kritisches Denken, künstlerische Fähigkeiten oder gar selbstständiges Handeln vermitteln, denn wer weiß, was daraus noch werden kann.

Nur zur Erinnerung, es war Elisabeth Gehrer, die die Umwandlung der Pädagogischen Akademien zu pädagogischen Hochschulen vorantrieb und schließlich mit der Ernennung der Gründungsrektorinnen und -rektoren im August 2006 umsetzte. "Die Pädagogischen Hochschulen bedeuten nun ein Upgrading dieser Ausbildung auf akademisches Niveau", verkündete sie stolz. Es blieb bis heute bei der Economy-Class. Der damalige SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser, übrigens auch ein Tiroler, kommentierte damals die Bestellung der Gründungsrektoren: "Nur ein schwarzer Lehrer ist ein guter Lehrer. Nach diesem Motto werden Institutionen der Lehrerbildung kohlrabenschwarz eingefärbt." Claudia Schmied will weiter upgraden, was aber so, wie es derzeit geplant ist, schlicht und ergreifend ein generelles Down-grading der Lehrerbildung ist.

Kein Wort von Autonomie

Derzeit bastelt der von Schmied und Töchterle eingesetzte Entwicklungsrat daran, wie denn die Lehrerinnen- und Lehrerbildung neu organisiert werden kann. Da ist von Entwicklungsverbünden und Entwicklungsteams die Rede, von Koordination von Curricularentwicklung mit den Universitäten, von Modulen und Induktion, von ECTS-Punkten und von Steuerung der Entwicklungsprozesse, alles technokratisch geplant. Kein Wort von einer tatsächlichen Autonomie der Pädagogischen Hochschulen, kein Wort von Freiheit von Forschung/Entwicklung und Erschließung der Künste und der Lehre, kein Wort von der Erlassung der Curricula durch die Institutionen, kein Wort über eine grundlegende Änderung der Organisationsstruktur und Personalauswahl, in der Rektoren von den Hochschulen gewählt werden, in der Professoren durch vom Senat eingesetzte Berufungskommissionen vorgeschlagen werden, nein, es bleiben die Minister, die anordnen, ernennen und entscheiden.

Unter solchen Voraussetzungen ist eine sinnvolle Zusammenarbeit im Sinne einer zukunftsweisenden Lehrerinnen- und Lehrerbildung zwischen Universitäten und PH nicht möglich. Elmar Märk hat recht: Die Lehrerinnen- und Lehrerbildung muss bei den Universitäten verbleiben. (Eva Blimlinger, DER STANDARD, 26.7.2012)