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Unerwarteter Spielraum. Ballett im Griechenland des frühen 20. Jahrhunderts als abweichende Bewegung in der Tanzmoderne

Projektleitung:
Anna Leon (IKW)

Projektteam:
Felicitas Thun-Hohenstein (Mitantragstellerin)

Projektdauer:
3 Jahre
(verlängert bis 31.12.2026)

Gefördert von:
FWF | Hertha Firnberg (T1336)

FWF | Hertha-Firnberg Fellow
geleitet von Anna Leon, Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften
Projektlaufzeit: 1.1.2022 – 31.12.2026

„Margin“ — im englischen Titel des Projekts, The unlikely margin — deutet auf Peripherien hin, auf Außenseiter_innen, auf Marginalisierung; aber sowohl das englische Wort als auch das französische marge überlagern diese Bedeutungsebene mit einer weiteren, die einen Raum der Möglichkeiten voraussetzt. Das Projekt erkundet die performativen und choreographischen Ballettpraktiken im Griechenland des frühen 20. Jahrhunderts als Bereich, der unverhofften Spielraum für abweichende Bewegungen innerhalb der (Tanz)Moderne eröffnet: Sie bezeichnen sowohl ein nicht-dominantes Genre, als auch eines, dem durch den Widerstand gegenüber den miteinander verbundenen, vorherrschenden Narrativen nationaler Identität, Geschlecht und „Hochkultur“ subversives Potenzial innewohnt.

Im Gegensatz zu modernistischen Narrativen, die mit einer Entpolitisierung des Tanzes einhergehen, wird mit diesem Projekt ein intersektionales Verständnis für die Brüche entwickelt, die das griechische Ballett Anfang des 20. Jahrhunderts in die normgebenden Darstellungen der Nation und des Geschlechts eingebracht hat. Diese Brüche werden in einem Rahmen betrachtet, der durch Klassenunterschiede und deren Ausdrucksformen in den Konstruktionen „hoher“ und „niedriger“ Kultur gekennzeichnet ist.

Während die griechische Tanzgeschichte innerhalb der europäischen Tanzgeschichtsschreibung stark unterrepräsentiert ist, wirkt dieses Projekt dem tanzgeschichtlichen Eurozentrismus, der selbst innerhalb Europas auftritt, entgegen und erkennt die Beiträge von „European Others“ (Fatima El-Tayeb) zur europäischen Tanzgeschichte an. Indem auf die Notwendigkeit hingewiesen wird, „Peripherien“ wie Griechenland historiographisch in die Komplexität des transnationalen, dezentralisierten Austauschs, der die Tanzlandschaft des frühen 20. Jahrhunderts ausmachte, einzubeziehen, trägt Unerwarteter Spielraum dazu bei, die Perspektiven auf die europäische und auch mediterrane Tanzmoderne kritisch zu diversifizieren. Somit unterstreicht es Vielfalt — sowohl innerhalb der dominanten Kulturzentren Westeuropas, als auch darüber hinaus — mit einer Bewegung, die den historiographischen Kanon erweitert, aber auch die Narrative, die ihn konstruieren, strukturell umgestaltet.

Um die Forschungsarbeit in Wien und Griechenland auszubreiten, wird im Rahmen des Projekts eine Vielzahl an Ausgängen hergestellt, von akademischen Formaten über praxisorientierte Workshops bis hin zu Kollaborationen mit Künstler_innen, die die historischen „Spielräume“ mit der Gegenwart in Dialog treten lassen.