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Gegen die autoritäre Wende: Antifaschismus und Antirassismus in der Vermittlungs- und Bildungsarbeit in Kunst und Design

Datum
Organisationseinheiten
Künstlerisches Lehramt
Ortsbeschreibung
Online

Ein zweiteiliges Symposium, 23/24 Oktober 2020 und 5/6 März 2021

Anmeldung für Oktober: https://www.eventbrite.at/e/gegen-die-autoritare-wende-antifaschismus-und-antirassismus-in-der-vermitt-tickets-124222736549

Eine Kooperation der künstlerischen Lehramtsstudien an der Akademie der bildenden Künste Wien und der Universität für angewandte Kunst im Rahmen der Allianz Kunst und Bildung gegen Rassismus und Faschismus

Vorbereitet von Elke Gaugele, Elke Krasny, Barbara Putz-Plecko, Lena Fritsch, Sarah Held, Nora Landkammer, Hansel Sato

Die Welt erlebt derzeit das größte Wachstum der radikalen Rechten seit den 1930er Jahren. Dies hat die politische Landschaft, den Diskurs, die intellektuelle und kulturelle Produktion und auch das Alltagsklima verändert hin zu einer Normalisierung von Neorassismen. (Neu)-rechtes Gedankengut gilt in Österreich und Deutschland sowie international durch den Aufstieg rechtsextremer, autoritärer Parteien und Staaten als salonfähig und wird auf Social Media multipliziert. Aktivistische Aktionen und Medienstrategien vernetzen international außer- und innerparlamentarische Netzwerke der extremen Rechten und verstärken rechtsterroristische Gewalt. Bildung, Kultur, Kunst und Gestaltung nehmen dabei eine Schlüsselrolle ein. Kritische Forschung und Vermittlung sind daher mehr denn je gefordert, Stellung zu beziehen und an emanzipatorischen und transformativen Zugängen zu arbeiten.

Für eine solche Positionierung ist zugleich notwendig, den Blick auf Ungleichheit und Diskriminierung zu richten, die in Bildungs- und Kunstinstitutionen auf struktureller Ebene wirken. Wie können Lehrende, Vermittler*innen und Kulturschaffende hier rassismus- und diskriminierungskritisch handeln?

Das Symposium ist Teil des Aufbaus der Allianz Kunst und Bildung gegen Rassismus und Faschismus von Lehrenden an Universitäten, Kunstvermittler*innen, Kunstpädagog*innen, Künstler*innen, Forscher*innen, kulturellen Bildungsarbeiter*innen, Studierenden und Lehrer*innen an Schulen.

Für Antifaschismus und Antirassismus in der Vermittlungs- und Bildungsarbeit bringt das zweiteilige Symposium kritische Forschung zum ideologischen Einsatz von Kunst und Design durch die radikale Rechte und handlungsorientierte rassismus- und diskriminierungskritische Praxis zusammen.

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23./24. Oktober
mit: Sabine Hark, Daniel Hornuff, Paula-Irene Villa, Andreas Speit
Online

Der erste Teil im Oktober 2020 widmet sich der Frage, wie die Zeichen und Strukturen der ‘Neuen Rechten’ in ihrer ‚Neuen Unübersichtlichkeit‘ und ihren unheimlichen Gewaltverflechtungen für die antifaschistische und antirassistische Vermittlungs- und Bildungsarbeit kulturell einordenbar und lesbar gemacht werden können.

In Vorträgen gefolgt von Workshops werden jüngste Forschungen und tagesaktuelle Untersuchungen vorgestellt zu den Positionen und Intentionen der ‘Neuen Rechten’, zu den ideologischen Verflechtungen von Rassismus, Sexismus und Feminismus sowie zur Bedeutung der Kunst und zum Einsatz von Design für die Formierung rechtsextremer, islam- und judenfeindlicher, antifeministischer und rassistischer Bewegungen.

23.10.2020

14.00-16.30 Sabine Hark/Paula-Irene Villa
Zur Zukunft von Differenz. Überlegungen zur ambivalenten Verflechtung von Rassismus, Sexismus und Feminismus

Warum ist es mehr als vier Jahre später und auch jenseits der deutschen Grenzen noch relevant, sich mit “Köln” auseinanderzusetzen? Ist “Köln” tatsächlich jenseits der deutschen Innenpolitik von Belang? Wir meinen ja. Denn die Domplatte von Köln wurde zur Bühne eines “Clash of Cultures” (Huntington 1993), „Köln“ ist zu einem globalen Referenzpunkt des “Krisenschauplatzes Migration” geworden, “an dem ethnische Chauvinismen, Neonationalismen und diverse Fundamentalismen versuchen, die symbolischen Grenzen der Gruppenzugehörigkeiten zu schließen” (Mercer 2018). “Köln” steht für das angebliche Scheitern der Integration von Geflüchteten, für den vermeintlichen Umschlag von Multikulti-Träumerei in einen Alptraum aus Gewalt und Unsicherheit,für die angenommene Zersetzung “unserer” öffentlichen Ordnung durch zu viele von “denen“ muslimischer, afrikanischer oder ... jedenfalls nicht ‘deutscher’ Herkunft. Ein Zusammenprall, der sich nicht zufällig entlang jener Themen ereignete, mit denen weltweit die Verhandlungen über unser Zusammenleben ausgetragen werden: Sexualität und Geschlecht. Wie kaum ein anderes, alltäglich relevantes Feld von Erfahrungen – neben allgemeinen, meist eher diffusen, darum aber umso wirkmächtigeren sozialen Vorstellungen zu Kriminalität, Gewalt und terroristischer Bedrohung – taugen Sexualität und Geschlechtlichkeit offenbar besonders zur Verhandlung weiterer, affektiv aufgeladener und intensiv debattierter Fragen. Fragen, die die soziale Ordnung betreffen, etwa den Umgang miteinander im Allgemeinen und in der Öffentlichkeit im Besonderen, Fragen also der Ethik des Zusammenlebens. Wie wollen und können wir zusammen leben – und wie tun wir dies tatsächlich? Wie wollen und können wir in einer pluralen Demokratie über dieses Zusammenleben miteinander sprechen, auch kontrovers debattieren? Wer nimmt an diesem Gespräch wie Teil, inmitten einer globalen Welt, zu der, ob wir wollen oder nicht, Migration, Religion, Ungleichheit, Gefährdung und Prekarität gehören?

Letztlich sind dies die beunruhigenden, schwierigen und grundsätzlichen Fragen, die „ Köln” einmal mehr aufgeworfen hat. Zu denen auch gehört, welche Zukunft Differenz angesichts der Aneignung von Differenz zu Zwecken der Herrschaft hat.

Vita

Sabine Hark (Dr. phil.), Soziolog*in, ist Professor*in für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der Technischen Universität Berlin. Sie gilt als Mitbegründer*in der Queer Theory. Die Mitherausgeberin der Zeitschrift Feministische Studien publiziert u.a. in Zeit Online, Der Tagesspiegel und der taz .

Paula-Irene Villa, Dr. Dipl.-SoWi (geb. 1968) ist Professorin für Allgemeine Soziologie und Gender Studies an der LMU München. Sie lehrt und forscht zu Biopolitik, embodiment/Körper, Care, Populärkultur, Sozial-, Gender- und Queer Theory. Sie ist u.a. im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Seit Jahren schreibt sie u.a. in FAZ , taz , SZ , Freitag, Die Zeit, Washington Post.

17.00-19.30 Andreas Speit
Identität in der Krise - Positionen und Intention der 'Neuen Rechten'

Identität in der Krise - Positionen und Intention der 'Neuen Rechten' In der Bundesrepublik Deutschland ist das Sag- und Wählbare in den vergangenen zehn Jahren weit nach rechts verschoben wurden. Was sich „gestern“ noch am politischen Rand der Gesellschaft befand, ein No-GO war, undenkbar erschien, steht heute in der Mitte der Gesellschaft, wird nicht bloß wie einst nur gedacht, sondern gesagt. Den Worten folgten Taten, mit ihnen verschob sich auch das Handelbare weiter ins extrem Rechte. Die Neue Rechte lebte nie am Rande der Gesellschaft, nur mit ihren Positionen waren sie randständig. Denn die Akteur*innen kommen nicht aus dem Nichts, sie sind keine Nobodys, sie können gestanden Politiker*innen, oder renommierte Persönlichkeiten sein. Diese heterogene Szene von der „Alternative für Deutschland“ über „Compact –Magazin für Souveränität und „Institut für Staatspolitik“ und „Ein Prozent für unser Land“ bis „Identitäre Bewegung“ eint die Angst vor der angeblichen Islamisierung Europas und die Sorge von dem vermeintlichen großen Austausch der eigenen Bevölkerung. Dieses Netzwerk der Neoautoritären, vereint auch durch einen Antifeminismus, ist international aufgestellt. In der weltweiten Pandemie sind die unterschiedlichen  Akteur*innen aber in eine Krise geraten. Gute Allianzen brechen, gewonnene Akzeptanz gehen verloren. Sie alle hoffen jedoch auf vor-bürgerkriegs-ähnliche Zustande.

Andreas Speit stellt exemplarischen zentrale Akteur*innen und ihre Strategien dar, zeigt aktuelle Verbindungen und Verflechtungen auf und geht auf Traditionen und Kontinuitäten ein. Nicht ohne die Affinitäten und Differenzen darzulegen.

Vita

Andreas Speit, Jahrgang 1966, Diplom-Sozialökonom und freier Journalist, Autor der taz Nord-Kolumne Der Rechte Rand , regelmäßige Beiträge für die taz, Deutschlandfunk Kultu r und WDR ; mehrere Auszeichnungen u. a. durch das Medium Magazin und den Deutschen Journalistenverband; Autor und Herausgeber diverser Bücher zum Thema Rechtsextremismus und Rechtspopulismus, u.a. Rechte Egoshooter “(Hg. mit Jean-Philipp Baeck, 2020), Völkische Landnahme (mit Andrea Röpke, 2019), Die Entkultivierung des Bürgertums (2019), Das Netzwerk der Identitären (2018), Reichsbürger (2017), Bürgerliche Scharfmacher – Deutschlands neue rechte Mitte von AfD bis Pegida (2016).

24.10.2020

10:00-12.30 Daniel Hornuff
Neue Unübersichtlichkeit? Beobachtungen zur neurechten Ästhetik

Welche Rolle spielen Fragen der Gestaltung bei der Formierung rechtsextremer, islam- und judenfeindlicher, antifeministischer, rassistischer Bewegungen? Der Vortrag diskutiert an ausgewählten Beispielen, wie Feinde offener Gesellschaften ästhetische Muster zu kapern versuchen, die gemeinhin als Ausdruck und Merkmal der von ihnen angegriffenen Gesellschaften eingestuft werden. „Im Inhalt unverändert, in der Form bearbeitet“ – unter dieser methodischen Prämisse machte sich Peter Weiss zur Mitte der 1960er Jahre daran, „Ermittlung“ zu den Verbrechen des Nationalsozialismus (theater-)ästhetisch zu erwirken. Heute scheinen sich die Vorzeichen zu verkehren: In der Form unverändert, im Inhalt (ideologisch) bearbeitet, so könnte die implizite programmatische Ausrichtung neoautoritärer, jugendkulturell versierter, sozialmedial organisierter Bewegungen lauten.

Dies unterstellt, stellen sich nicht unerhebliche Fragen für den Umgang mit solchen Praktiken. Zunächst: Wenn Rassismus unter anderem bedeutet, aus äußeren Merkmalen auf angeblich feststehende innere Eigenschaften zu schließen – muss sich eine antirassistische Erwiderung dann nicht umso konsequenter diesem (letztlich immer auf Verschwörungserzählungen fußenden) Kurzschluss verwahren? Und folgt daraus, dass neurechte ästhetische Erscheinungen für deren Zurückdrängen keine Rolle spielen dürfen, um nicht unfreiwillig in der Form zu übernehmen, was in der Sache geschwächt werden soll? Zugleich kann und darf nicht aus dem Blick geraten, wie umfassend neurechte Organisationen in die ökonomisch attraktive Ästhetisierung ihres Anliegens investieren. Rassistische Merchandising-Artikel, eigene Vertriebsplattformen und -wege sollen die Gefolgschaft objektbezogen ausstatten und als überlegene Stilgemeinschaft – als gleichsam soziale wie politische Avantgarde – festigen.

Besonders brisant stellen sich die Fragen in aktuellen Zusammenhängen. Veranstalter*innen sogenannter Querdenker-Demonstrationen setzen darauf, möglichst viele und unterschiedliche gesellschaftliche Gruppierungen auf einen antisemitischen, antidemokratischen Konsens einzuschwenken. Das ästhetische Merkmal der Buntheit avanciert zu ihrem massenmedial verbreiteten Signum. Wie kann in dieser neuen alten, ästhetischen und weltanschaulichen Unübersichtlichkeit noch halbwegs Übersicht behalten oder wieder hergestellt werden? Der Vortrag endet, indem er dieses Paradox der Orientierung zur Diskussion stellt – und danach fragt, was aus diesen Befunden für die Bildungs- und Vermittlungsarbeit folgen könnte oder gar sollte.

Vita

Daniel Hornuff, geb. 1981, ist Professor für Theorie und Praxis der Gestaltung und Vizerektor für Studium und Lehre an der Kunsthochschule/Universität Kassel. In seinen beiden letzten Büchern setzte er sich mit dem Design der Neun Rechten und mit Hassbildern in den Sozialen Medien auseinander.

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5./6. März 2021
mit: Danja Erni, Ayse Gülec, Sandrine Micossé-Aikins (angefragt)

Der zweite Teil im März 2021 wendet sich Formen zu, in denen Rassismus und Diskriminierung in die Strukturen, Institutionen und Praxen von Kunst und Bildung eingeschrieben sind. Was bedeutet hier Stellung beziehen und kritisch Handeln? Wie Allianzen bilden? Es gilt, strukturelle Effekte aus einer intersektionalen Perspektive zu verstehen und kritische Initiativen zu vernetzen, um voneinander zu lernen. Erfahrungen und Ansätze für rassismus- und diskriminierungskritische Praxis in Kunstpädagogik und Kunstvermittlung werden vorgestellt, Workshops laden zu Weiterentwicklung und Vernetzung ein.